Schlechte Nachrichten sind nichts für Frauen

„Herr Doktor…?“
Wieder einmal bin ich zu spät dran. Wieder einmal rasse ich im Tiefflug über die Station und habe noch tausend unerledigte Aufgaben auf meinem Zettel.
Ich drehe mich um.
„Ja?“
Hinter mir steht ein Einmeterneunzigmann, Mitte Fünfzig, Graues Haar, Schnauzbart. Und Migrationshintergrund. Südöstlicher Mittelmeerraum.
„Können wir reden…“
Tief durchatmen und jetzt bloß zusammenreißen! Jetzt bloß nicht die Augen verdrehen und schon gar nicht auf die Uhr schauen. Zeitraubende Angehörigengespräche sind das Letzte, was ich jetzt brauchen kann!
„Worum geht’s denn?“
„Es geht um meine Frau.“
Der Frau geht es schlecht. Verdammt schlecht. Blaß sieht sie aus unter ihrem Kopftuch und abgemagert und vor ein paar Tagen haben wir als Ursache einen Tumor in der Lunge feststellen können.
„…äh… Ihre Frau, die wird ja eigentlich hauptsächlich von meiner Kollegin betreut…“
Ich weiß, dass Sarah gefühlte Stunden in diesem Krankenzimmer verbracht und mehrfach lange und ausführlich mit der armen Frau gesprochen hat.
„Genau darum geht es ja! Wir müssen reden. Unter Männern!“
Aha?
Seufzend bitte ich mein Gegenüber, in der Sitzecke am Ende des Flures Platz zu nehmen.
„Sie hat es ihr gesagt!“ platzt es aus ihm heraus.
„Was?“
„Ihre Kollegin hat meiner Frau gesagt, dass sie Krebs hat!“
Ich schaue ihn fragend an.
„Hat sie auch mit Ihnen gesprochen?“
Er nickt.
„Hat sie. Mit uns beiden, und mit ihr. Aber sie hat es ihr gesagt!“
Hmm. Hmmm. Aha?
„Sowas sagt man doch einer Frau nicht!“

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