Wolga Inkasso

„‘n Abend, Doc!“
Balthasar grinst dreckig, als er mir auf dem Flur entgegenkommt.
Ich schaue auf die Uhr und schüttele den Kopf.
„Wo kommst Du denn her?“
„Vom Balkon!“
Nachts um halb zwölf? Um diese Uhrzeit treiben sich normalerweise nur die allerärgsten Suchtbolzen draußen herum: die kettenrauchende Verwandschaft von Herrn Chromsky zum Beispiel.
„Ich wusste gar nicht, dass Du rauchst!“
„Nee, ich war geschäftlich unterwegs!“
Balthasar bemüht sich um einen seriösen Gesichtsausdruck.
„Aha?“
„Ja, ein Termin mit einem vielversprechenden geschäftlichen Kontakt…“
Ich schiele in Richtung Balkon.
„Aber doch nicht etwa mit der Mischpoke von Chromsky?“
Balthasar nickt.
„Der Wanja, der hat einen Cousin, der fährt öfters nach Moldawien und kennt da wen…“
„Und?“
„…der kommt billig an Zigaretten. Wenn man die hier auf den Markt bringt…“
Ich runzele die Stirn.
„Du redest doch nicht etwa von Schmuggelware?“
Balthasar schüttelt vehement den Kopf.
„Nee, ich habe mit der Ware nichts zu tun. Bei mir wird man nie etwas finden. Mir geht es nur um die Kontakte…“
„Aha, Kontakte also…“
„Ja, weißt Du, eine Hand wäscht die andere. Der Wanja hat nämlich noch einen Cousin, und der hat ein Unternehmen, dem könnte ich Kunden vermitteln…“
Das klingt ja immer abenteuerlicher!
„Was für ein Unternehmen denn?“ bohre ich nach.
Balthasar grinst.
„Nennt sich Wolga-Inkasso!“ sagt er und dann fügt er, noch breiter grinsend hinzu: „Die haben einen genialen Werbespruch!“
„Und der lautet?“
Wir stehen vor Balthasars Zimmer. Er hält einen Moment inne und schaut mich an. Er räuspert sich und dann deklamiert er feierlich: „Unsere Kunden brauchen nicht russisch zu sprechen um zu verstehen, was wir wollen!
Sagt’s und verschwindet hinter seiner Tür.

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