Wolga Inkasso (Teil 2)

Balthasar huscht eilig an mir vorbei.
„Morgen, Doc!“ sagt er und deutet mit zwei Fingern an der rechten Schläfe einen kurzen Gruß an.
„Wohin des Weges?“ frage ich, aber es ist wohl eine rhetorische Frage. Natürlich wieder zu einer streng geschäftlichen Konferenz auf dem Raucherbalkon, die erheblich wichtiger ist als die Anwesenheit seiner Person im Krankenzimmer während der Visite. Und da man bei rhetorischen Fragen eh nicht mit einer Antwort zu rechnen braucht, ist er eine Sekunde später auch schon zwei Schritte weiter ohne sich noch einmal umgedreht zu haben. Ich habe es längst aufgegeben, mich über diesen Kerl zu ärgern. Dabei juckt es mich in den Fingern, ihn auch mal ein kleines bißchen zu piesacken… die Sache mit der Darmspiegelung hat nämlich nicht geklappt, aber das ist ein anderes Thema.
„Haben die beiden Typen Dich eigentlich noch erreicht?“ frage ich eine Spur zu laut.
Jetzt dreht er sich um.
„Was für Typen?“
„Zwei so Typen halt… beide ziemlich groß, schwarze Lederjacken, der eine mit Glatze und Dschinghis-Khan-Bärtchen, der Andere…“
„Haben sie gesagt, was sie wollen?“
Balthasar kommt einen Schritt auf mich zu.
„Nee, sie sagten nur es sei geschäftlich und ziemlich wichtig!“
Balthasar runzelt die Stirn. Habe ich ihm da jetzt einen lukrativen Deal vermiest? Ach, das täte mir aber leid!
„Ich habe sie natürlich nicht zu Dir gelassen,“ füge ich überflüssigerweise hinzu, „aus rein medizinischen Gründen natürlich!“
Balthasar schaut mich scharf an.
„Wie sahen die Typen genau aus? Hatte der zweite zufällig ein Spinnweben-Tatoo auf dem linken Unterarm?“
„Jetzt, wo Du es sagst!“ ich nicke zustimmend.
„Und sie haben nicht gesagt….“
„Sie haben eine Visitenkarte dagelassen!“
Ich hole das inzwischen ziemlich zerknitterte Ding aus der Kitteltasche.
„Wolga Inkasso“ steht auf der Vorderseite und darunter: „Wir lösen jedes Problem! Sie brauchen nicht russisch zu sprechen um uns zu verstehen.“
Balthasar stutzt, dann strahlt er mich an und haut mir seine rechte Pranke auf die Schulter.
„Benno, Du hast mir das Leben gerettet!“
Ich weiche zurück.
„Äh… warum?“
„Seit drei Wochen sind diese Kerle hinter mir her!“ sagt Balthasar, „Wenn Du nicht gewesen wärst, hätten sie mich jetzt erwischt!“
So ein Mist aber auch! Das Spektakel hätte ich mir nur zu gerne angeschaut.
„Aber immerhin wissen sie jetzt, wo Du steckst!“ sage ich.
Balthasar nickt aufgeregt mit dem Kopf.
„Allerdings,“ sagt er, „Allerdings!“
Und dann verschwindet er schnell in die andere Richtung.

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