Dank einer Drogenersatztherapie können viele suchtkranke Menschen wieder ein fast normales Leben führen. Doch wehe, sie kommen in Haft: Dann müssen sie meist ihre Therapie abbrechen. Denn im Strafvollzug setzen die meisten Bundesländer noch immer auf den kalten Entzug. Auch Lui (Name geändert), 40 Jahre, musste auf sein Methadon verzichten, obwohl er nur noch eine Reststrafe von sechs Monaten abzusitzen hatte. Er hat sich gewehrt – vergeblich.
Philip Eicker sprach mit ihm über Rechte und Gefühle im Knast.
Lui, wann hast du mit der Drogensubstitution angefangen?
Meine Drogenkarriere begann so mit 15, 16. Beim ersten Kontakt mit Substitutionsmitteln war ich dann 21. Das waren damals aber nur kurze Brücken, bis die nächsten Drogen da waren. Damals war ich zu chaotisch. Hilfreich war’s trotzdem. Es hat mich sicherlich davor bewahrt, noch mehr Blödsinn in meinem Leben zu machen, zum Beispiel eine Tankstelle zu überfallen.
Wenn du doch immer wieder Drogen genommen hast, ist denn Substitution dann sinnvoll?
Sie ist erst mal ein Schritt raus aus dem Drogenalltag, ein Schritt zur Hilfe. So komme ich in Kontakt mit Ärzten, mit Psychologen, kann meinen Alltag stückweise wieder selber gestalten. Bei mir war das so… ich wollte wieder ein normales Leben haben wie andere auch.
Als du 2009 noch einmal für sechs Monate ins Gefängnis musstest, wurde dir dein Substitutionsmedikament Methadon verweigert. Du hast dich gewehrt. Wie?
Ich habe bei der zuständigen Strafvollstreckungskammer eine Anzeige wegen Körperverletzung gestellt. Gegen meine Justizvollzugsanstalt. Begründet habe ich das damit, dass ich draußen substituiert werde und die Therapie durch meinen Haftantritt abrupt abgebrochen worden ist. Ich wusste aber schon, dass das keine Aussicht auf Erfolg hat. Es gibt im Strafvollzugsgesetz leider kein Recht auf Substitution, auf das man sich berufen kann.
„Ich wollte wieder ein normales Leben haben”
Das hieß für dich: “kalter Entzug”. Wie wirkt sich das aus?
Durchfall, Übelkeit, Antriebslosigkeit, man wechselt zwischen Schüttelfrost und Hitzewallungen. Bei mir hat es locker acht Wochen gedauert, bis ich wieder schlafen konnte. Methadon hält sich hartnäckiger im Körper als Heroin.
Was war das Unangenehmste?
Man schläft ja in Gemeinschaftshafträumen, fünf, sechs Mann. Das waren glücklicherweise alles Leute, die schon einen Entzug hinter sich hatten. Die kannten das. Man hat Durchfall, muss sich übergeben, kann nicht schlafen. Auf engstem Raum ist das echt eine peinliche Situation! Klar, das Klo ist durch eine dünne Wand abgetrennt, aber die Geräuschkulisse bekommt man uneingeschränkt mit.
Aber am Ende warst du entgiftet. Spricht das nicht für den kalten Entzug?
Nein, das Leiden ist unnütz. Wenn man kurz vor dem nächsten Rückfall steht, denkt man leider Gottes nicht an die Schmerzen beim Entzug, sondern man denkt sich das schön: Ich mach das ja nur einmal, höre sofort wieder damit auf. Für viele ist der kalte Entzug auch psychisch schädlich. Im Knast musst du dich ja nicht nur mit den Entzugssymptomen auseinanderzusetzen, sondern auch mit deinen Mitgefangenen. Es ist kein ruhiges, freundliches Klima. Man muss sich zumindest verbal zur Wehr setzen.
„Das Leiden ist unnütz”
Du hast außerdem eine Klage gegen deine Haftanstalt geführt. Das schaffen die wenigsten.
Klar, die meisten haben Ohnmachtsgefühle, wenn so ein Apparat vor ihnen steht und verdeutlicht: Wir wollen nicht, dass du dich wehrst! Der Ton ist rau im Knast, es wird einem gezeigt, dass man sich gerade unbeliebt macht.
Warum hast du auf deiner Behandlung bestanden?
Die Energie in der Haft war mein Unrechtbewusstsein. Aus meinem Blickwinkel wusste ich genau: Das ist falsch, was die da mit mir machen. Dass man sich vor 20 Jahren gedacht hat, dass ein Drogensüchtiger Schmerzen spüren muss, um runterzukommen, das kann ich noch nachvollziehen. Aber dass sie heute noch kalten Entzug praktizieren und sich auch noch schönreden – das ist krass!