Mal wieder ein Thema aus der Reihe “Was hat das miteinander zu tun?”
Am Anfang war… nein, nicht das Ei. Und auch nicht das Huhn. Am Anfang stand die Frage: Wie kann ich vorab testen, ob ein Arzneistoff auf der Haut / auf der Schleimhaut verträglich ist? Seit 1944 verwendete man den nach seinem Entwickler, dem Toxikologen John H. Draize, benannten Draize-Test. Dabei wird die zu testende Substanz einem ruhiggestellten Kaninchen ins Auge gegeben und das Kaninchen während 72 Stunden beobachtet. Man verwendet Kaninchen, da sie sehr wenig Tränenflüssigkeit produzieren und die Testsubstanz daher dauerhaft in hoher Konzentration im Auge bleibt. Dieser Test ist für das Tier nicht nur unangenehm (es darf während der Testphase die Augen nicht schliessen bzw. wird daran gehindert) sondern auch schmerzhaft und kann im Extremfall zur Erblindung des Tieres führen. Zwar dürfen heute Substanzen, von denen man im Voraus weiß, dass sie ätzend wirken können, nicht getestet werden – aber auch andere zu testende Substanzen können böse Schäden verursachen. Der Test ist folgerichtig auch stark umstritten.
Der deutsche Pharmakologe und Toxikologe Niels-Peter Lüpke entwickelte 1985 eine Alternative zu diesem Test, der mit Hühnereiern funktioniert: Die zu testende Substanz wird in einem weniger als zehn Tage bebrüteten Ei auf die blutgefäßreiche und schmerzunempfindliche Membran, die das Embryo umgibt, aufgetragen. Man beobachtet dann in den nächsten 15 Minuten, wie sich die Membran verhält – ob sich die Blutgefäße verändern, Blutungen auftreten oder das Eiklar sich verändert. Der Test nennt sich ausgeschrieben Hühnerei-Test an der Chorion-Allantois-Membran – oder kurz: HET-CAM. In Frankreich ist er als Alternative zum Kaninchenaugentest voll anerkannt, in Deutschland wird er bisher nur für stark reizende Substanzen eingesetzt – bei schwach reizenden / irritierenden Substanzen muss weiter der Kaninchentest eingesetzt werden.
Und Schnecken? Die werden heutzutage eingesetzt, um die Verträglichkeit von Substanzen auf Schleimhäuten zu testen – zum Beispiel bei der Entwicklung vaginal eingesetzter Arzneimittel. Hierbei macht man sich die Eingeschaft der Spanischen Wegschnecke zunutze, beim Kontakt mit reizenden Stoffen Schleim zu produzieren, um das Gewebe zu schützen. Man beobachtet nun, wieviel Schleim die Schnecke produziert und wieviel Proteine und Enzyme (LDH und ALP) von der Haut der Tiere abgegeben wird – letzteres ist ein Maß für die Gewebsschädigung durch den Stoff. Das Verfahren ist geeignet, den Draize-Test in Zukunft zu ersetzen.