Die Rache der Grill-Hähnchen

Ernährungswissenschaftler aus Thailand und den USA haben unlängst in einer Studie feststellen müssen, dass die gesundheitliche Gefährdung von Fleisch nicht einheitlich ausfällt.

Es wird ja schon seit einigen Jahrzehnten vermutet, dass vor allem Grillfleisch, und da besonders die verbrannten Teile, durch das Grillen mit krebserzeugenden Substanzen angereichert wird. Wenn man die Wahl hat zwischen einem Grill-Hähnchen und einem Hotdog, dann würde wohl fast jeder spontan zum Hähnchen greifen. Zu sehr sind wir auf den Übeltäter Cholesterin geeicht und wollen selbigem so gut wie möglich ausweichen. Laut Wissenschaftler aber knallen wir bei diesem Ausweichmanöver gnadenlos vor den Baum.

Denn nachdem wir erfolgreich das Cholesterin im Hotdog und im Ei vermieden haben, verleiben wir uns mit dem Grill-Hähnchen eine deutlich höhere Konzentration an sogenannten heterozyklischen Aminen ein, die in dem unschönen Ruf stehen, Krebs zu erzeugen. Hotdogs und ähnlich erzeugte Fleischprodukte wie Pfeffersalami, Aufschnitt usw. sind deutlich weniger belastet mit diesen karzinogenen Bestandteilen.

Wenn man sich nun die Studie der Wissenschaftler anschaut, dann ist man in der Tat geneigt, Hotdogs den Vorzug zu geben. Auch das Time Magazine hat sich dieses Themas angenommen. Hier finden wir einige Daten zu den HCAs, die beim Braten und Grillen entstehen. So enthalten Pfeffersalami 0,05 ng/g (Nanogramm pro Gramm; 1 Milliarde Nanogramm = 1 Gramm) – Hotdogs und Aufschnitt 0,5 ng/g – gekochter Schinkenspeck 1,1 ng/g – Grill-Hähnchen 1,9 ng/g – Grill-Hähnchenhaut 16,3 ng/g.

Und damit ist doch eigentlich klar, dass man mit einem Hotdog besser beraten ist als mit einem Hähnchen und dessen Haut, oder nicht? Aber so einfach scheint die Sachlage dann doch nicht zu sein.

Heterozyklische Amine & Co. KG

Was ist das denn nun schon wieder? Keine Angst, die Biochemie dazu wird nicht allzu umfangreich werden. Aber es ist wichtig zu wissen, was es mit diesen Aminen auf sich hat, wenn man den gesamten Sachverhalt verstehen will.

Heterozyklische Amine, kurz HCAs, sind chemische Verbindungen mit einer Ringstruktur und einer Aminogruppe. Die Ringe können drei-, vier-, fünf-, sechseckig sein usw. Diese HCAs sind nicht alle problematisch, sondern einige von ihnen erfüllen wichtige biologische Funktionen. Niacin, Vitamin B3, ist z.B. so ein HCA. Porphyrine zählen ebenfalls zu den HCAs. Sie sind integraler Bestandteil von Hämoglobin, Myoglobin, Chlorophyll und Vitamin B12. Pyrimidin ist ein weiterer Vertreter der HCAs und ist Bestandteil von Vitamin B1.

Die Liste an Beispielen, wo HCAs in unserem Organismus unverzichtbarer Bestandteil sind, ist ellenlang. Andere HCAs dagegen kommen nicht natürlich vor, sondern werden bei hohen Temperaturen, also Braten und Grillen erzeugt. Und dies sind die HCAs, die unter Umständen ein erhöhtes Krebsrisiko erzeugen. Sie sitzen besonders konzentriert in den schwarzen, verkohlten Teilen von Haut und Fleisch. Deshalb sind diese Teile besonders intensiv zu vermeiden. Denn HCAs sind verantwortlich für eine Reihe von Krebserkrankungen, wie Magenkrebs, Darmkrebs und Brustkrebs.

Unglücklicherweise sind die HCAs nicht die einzigen Übeltäter. Da gibt es noch die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, kurz PAKs. Auch sie stehen im Ruf, Krebs zu erzeugen. Und sie entstehen bei der Verarbeitung von Fleischwaren. So wird eine Reihe von Fleischwaren geräuchert. Dieser Räucherprozess sorgt dann für die erhöhte Belastung des Fleischs mit PAKs.

Aber auch beim Grillen entsteht PAK. Wenn Fett auf die Hitzequelle tropft, dann entsteht vermehrt Rauch, der mit der Grillware in Berührung kommt. Dieser Rauch überträgt dann die PAKs auf das Grillfleisch. Die Berufskrankheit von Schornsteinfegern war bzw. ist Hautkrebs, der durch PAK-belasteten Rauch hervorgerufen wird. Zigarettenrauch ist auch eine ergiebige Quelle für PAKs. Wer auf das Grillen nicht verzichten möchte, sollte mal in meinen Artikel: “Grillen – aber richtig und gesund” hineinschauen.

Ein weiterer Übeltäter in unserem Grill-Hähnchen ist bzw. sind die Advanced Glycation End Products (AGEs). Hierbei handelt es sich um eine Glykation oder Glykierung, wobei Eiweiße mit Zuckern reagieren. Dies erfolgt bei Temperaturen von 120 Grad und höher. So werden, man kann es kaum glauben, AGEs in der Lebensmittelindustrie (ach so, jetzt glaub ich´s doch) eingesetzt, um als Geschmacksverstärker, Farbstoff und zur Verbesserung der Erscheinung zu dienen. Dabei ist man wenig evidenzbasiert davon ausgegangen, dass AGEs vollkommen ungefährlich sind. Aber man weiß heute, dass AGEs alles andere als harmlos sind. Sie sind an der Bildung von Acrylamid beteiligt, ein Produkt von Grillfleisch, das krebserzeugend ist. Aber AGEs selbst scheinen im Körper für oxidativen Stress zu sorgen, denn sie reichern sich im Laufe der Jahre an. Das Resultat sind Entzündungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Nierenerkrankungen.

Geht´s jetzt um die Wurst?

Wie es aussieht, ist die gegrillte Hähnchenhaut der beste HCA-Lieferant und Krebserzeugungskandidat auf dem Grillfest. Aber man kann ja die Haut entfernen und nur das Fleisch genießen… oder gleich auf die HCA-ärmeren Varianten umsteigen. Aber wie wir schon im vorherigen Absatz haben sehen können, sind die HCAs nicht die einzigen Substanzen, die es zu meiden gilt. Denn über die Grill-Chemie hinaus gibt es da noch Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker (wie bereits bei den AGEs beschrieben) und Farbstoffe, die mit der Ernährung rein gar nichts zu tun haben. Und weil sie für die Ernährung ohne Belang sind, sind sie auch potentiell gefährlich.

Wo finden sich denn nun all diese Dinge? Im Grill-Hähnchen wird es kaum Konservierungsstoffe, Farbstoffe etc. geben. Nein, man findet dies in ausreichenden Mengen in industriell gefertigter Nahrung. Vor allem findet sich hier Natriumnitrit, ein Zusatz, der häufig in geringen Mengen im Pökelsalz vorkommt. Es verhindert das Wachstum von Bakterien auf dem behandelten Fleisch und erhält dessen rote Farbe und Geschmack. So sind Hotdogs, Aufschnitt und Schinkenspeck nahezu “berühmt” für ihren ausgiebigen Nitrit-Gehalt. Auch wenn dieser Gehalt kaum größer ist als der HCA-Gehalt des Grill-Hähnchens, ist das karzinogene Potential als gleich groß einzuschätzen. Denn Nitrite können im Körper in Nitrosamine verwandelt werden, die einen Ruf als krebserzeugende Substanzen haben. So gibt es inzwischen die ersten Studien, die eine Verbindung zwischen den Nitrosaminen und dem Aufkommen von Kolorektal-, Magen- und Pankreaskrebs zeigen konnten.
Wenn Sie jetzt auf die geniale Idee kommen, Ihren Hotdog auf dem Grill ordentlich anbrennen zu lassen, statt ihn in einer Mikrowelle z.B. aufzuwärmen, dann haben Sie beides, Nitrite und HCA friedlich vereint in Ihrem Hotdog. Und damit besteht die gute Aussicht, bei einem mehr oder weniger regelmäßigen Verzehr solcher Hotdogs gesundheitlich auf den Hund zu kommen. Wohl bekomms!

7000 Studien gegen Industriefutter

Fertigprodukte der Nahrungsmittelindustrie scheinen keine gute Wahl zu sein, wenn es um Ernährung geht. Eine Mega-Analyse von 7000 Studien versuchte unlängst den Zusammenhang zwischen Ernährung und Krebs zu erforschen. Diese Studie wurde vom World Cancer Research Fund (WCRF) initiiert. Die Gelder dafür stammten aus öffentlichen Mitteln. Somit lag hier keine industrielle Beteiligung vor, die unter Umständen Einfluss auf die (unliebsamen) Ergebnisse hätten nehmen können.

Und so kam es, wie es kommen musste: Die guten Fleischwaren aus industrieller Fertigung waren bzw. sind gut geeignet, vor allem Dickdarmkrebs zu fördern. Dabei gibt es keine definierte Menge an industriell verarbeitetem Fleisch, die als sicher angesehen werden kann. So ist der “Genuss” von nur einer Wurst täglich in der Lage, das Risiko für die Entstehung von Darmkrebs um 20 Prozent anzuheben. Aber es gibt noch einen tüchtigen Nachschlag: Dieses feine Essen “verbessert” die Aussicht auf Dickdarmkrebs um 50 Prozent, Blasenkrebs um 59 Prozent, Magenkrebs um 38 Prozent und Pankreaskrebs um 67 Prozent.

Und nun noch der Nachschlag zum Nachschlag… Hotdogs, Schinkenspeck, Salami und andere industriell verarbeitete Fleischsorten scheinen in der Lage zu sein, das Risiko für Diabetes um 50 Prozent in die Höhe zu treiben. Außerdem setzen sie die Lungenfunktion herab und erhöhen somit das Risiko für eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung.

Und die Moral von der Geschicht´?

Das Industrie-Fleisch sieht nicht nach einer besonders berauschenden Alternative zum Grill-Hähnchen und seinen Krebs-HCAs aus. Ob Grill oder Industrie, das Krebsrisiko ist bei beiden deutlich erhöht. Aber darf man dann gar nichts mehr essen? Doch… du darfst… 100 Prozent Rindfleisch und Hähnchen muss es sein. Hier sollten keine Konservierungsstoffe eingesetzt worden sein. Das Gleiche gilt für Farbstoffe, Mononatriumglutamat und Geschmacksverstärker. Wenn es unbedingt Wurst oder anderes aufgearbeitetes Fleisch sein muss, dann ist es am Besten, man geht zu einem kleinen Hersteller, dem man unter Umständen sogar bei der Herstellung über die Schulter schauen darf bzw. man sich nach den Zutaten erkundigen kann. Auch wenn es sich hier immer noch nicht um die optimale Lösung handelt, ist sie immer noch besser als die kommerzielle Variante von der Stange.
Das wirklich gesunde Fleisch hingegen kommt von organisch gepflegten Tieren, die gehalten wurden wie vor 100 Jahren. Organisch gefütterte, freilaufende Hühner und Gras fressende Kühe und Rinder sind die Einzigen, die gutes Fleisch liefern können. Fleisch von Tierfarmen ist angereichert mit Hormonen, Antibiotika, Pestiziden und anderen Chemikalien (wie ich in meinem Artikel “Hühnerfleisch ohne Geschmack” bereits berichtet hatte).

Eine weitere Alternative wäre die mehr vegetarisch orientierte Kost. Aber nicht jeder ist ein Freund von Salaten und anderem Grünzeugs, obwohl es für die meisten die gesündere Variante der Ernährung ist. Zumindest gibt es hier keine HCAs & Co.

Weitere Informationen zum Thema:

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