Über die Kunst zu sprechen und dabei zu schweigen

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Wann hatten wir das letzte Mal einen so verregneten Sommer oder besser: wann nicht?

Im März hatte es Temperaturen wie sonst im Juni, jetzt im August regnet es wie sonst im April oder Oktober und die Blätter welken schon. Wegen der Feuchtigkeit sind die grünen Tomaten meiner Mitbewohnerin am Stock verschimmelt.  Das Klima verändet sich. Es wird immer früher warm, es wird immer früher kalt, der Winter immer länger und die Temperaturschwankungen extremer.  Wo soll das bloß hinführen?

Wenn man nicht weiß, was man reden soll, z.B. mit dem Chef beim Mittagessen, hilft einem die aktuelle Wetterlage peinliche Schweigeminuten zu vermeiden.

Wie ist das aber in anderen Beziehungen wie einer Partnerschaft oder zwischen Freunden?

Small talk betreiben über big troubles unserer Gesellschaft – von den privaten Konflikten weg auf die globalen Probleme blicken. Das ist  – privat-friedenspolitsch betrachtet – schön konstruktiv.

Erkennt man marrode Beziehungen nicht oft daran, dass über Belangloses gesprochen wird?

Wer sich nichts mehr zu sagen hat, der schweigt.

Wer reden muss, obwohl er nichts zu sagen hat, der flüchtet sich in inhaltsloses.

Wer einen verzwickten Konflikt ansprechen müsste, wenn er wirklich reden würde, der spricht lieber über das delikate Essen im Ritz beim letzten Urlaub.

Ich frage mich, ob angehenden Ärzte für diesen passiven Beziehungsstil besonders prädisponiert sind: schlimme Nachrichten  für Patienten blumig verpacken – aus Patientenliebe.  Nicht-Wissen in viel-sagende Worte kleiden – aus  Eigenliebe.

Haben wir diese Arzt-Patient-Beziehung nicht schon vom ersten Famulaturtag an geübt?

Aber ich frage mich auch, ob reden ohne Kompromisse immer gut ist:

Ernest Hemingway wollte nur die Wahrheit schreiben. All den Tüll, der sie verschleiert, weglassen. In seinen Schriften fanden sich oft Sätze, die, nur aus Subjekt und Verb bestehend, wenige Wörter lang waren. Die Wirkung: Befreiend – aber manchmal auch brutal.

Was denkt ihr? Lieber Klappe halten und Konflikte totschweigen oder konfrontieren und vielleicht der/die Buhmann/-frau sein?

Ich gehe jetzt mit Ines runter in die Kantine zum Essen. Ines hat Kürbissuppe von zu Hause mitgebracht – und das im August!

Grüße aus der Redaktion

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