Kreuzlander: Es kann nur eins geben

Das erste Protokoll des Ersten Teils des Schriftlichen Teils des Ersten Teils Der Staatlichen  Prüfung im Fach Humanmedizin

Ein Mann. Ein Fragebogen. Ein Antwortbogen. Die Prüfung seines Lebens. Wer wird gewinnen? Bewaffnet mit dem Stift und dem mächtigen Kreuzeln begibt er sich in die Schlacht, die entscheiden wird, ob er in die Klinik weiterrücken darf oder nicht.

 KLINIKUM GROßHADERN

08:15

Die Studenten versammeln sich vor den Hörsälen. Die Stimmung ist geteilt, die Attributionsstile variabel. Teils hofft man auf Glück, teils auf sein eigenes massives Gehirn. Und eventuell baut man auf den Ausschnitt mit kurzem Rock – obwohl ich nicht weiß, was das im Schriftlichen bringen soll. Ich mache ein Fenster auf und blicke in den recht schönen Garten des Klinikums, der von dem potthässlichen Gebäude eingekerkert ist. Ich zähle die toten Insekten. 2 rote Maikäfer, zwei Weberknechte… aber viel Zeit bleibt nicht, denn es ist immerhin schon…

08:30

Der Einlass ist nun erlaubt. Strenger als an einer Disko um drei Uhr morgens wird man hier auf Echtheit kontrolliert. Ohne Einladung, kein Einlass, kein Physikum, keine Klinik, keinen Beruf, kein Einkommen, kein Leben, kein Haus, kein Boot, kein Pool; aber glücklicherweise sind alle gerüstet.

Bis 09:00: Anspannungsphase

Den VIPs werden nun die für sie mit Platznummer, kreuzelgerechten Druckbleistiften und Radiergummis ausgestatteten Plätze zugewiesen. Ich setze mich auf meinen Platz. Nun steigt im Hörsaal die Anspannung. Nochmals wird überall ausgetauscht, wie viel Punkte man denn beim Trockenkreuzen immer geschaft hat – manche im Durschnitt pro Hauptfach immer 70, Donnerwetter! Die Dame hinter mir ist recht nervös und gibt an, Schmerzen im Abdomen zu haben. Ich frage sie, ob ich mich vorsichtshalber auf einen anderen Platz setzen muss. Die Frage wird verneint. Aus Langeweile übe ich auf meiner Einladung das korrekte Setzen der waagrechten Striche mit dem Bleistift und teste den Radierer auf Säuberlichkeit.

PRO-TIPP:

Digiti III-V der Schreibhand in Flexionsstellung, Daumen in Oppositionsstellung, und zwar so, dass der Stift zwischen den Endphalangen I+II sitzt und zwar senkrecht zur waagrechten Ausmalfläche. Die Markierung erfolgt durch rhythmische Dorsal- und Plantarflexion der Handgelenke. Bitte auf Sauberkeit achten.

Irgendjemand erzählt was von “SEINER BANANE”, aber ich war zu sehr in meinen Übungen vertieft, um den Sinn dahinter zu erfragen. Eine der Aufseherinnen stellt sich vor und klärt alle Formalitäten mit uns ab. Handys aus. Alle kramen in ihrer Tasche. Rauchen im Saal nicht gestattet. Okay. Keine Kommunikation während der Prüfung. … . In den hinteren Reihen klebt jemand die Ventilationsleiste der Bank mit breitem Tesa ab. Ich frage mich, ob das physikalisch Sinn macht, komme aber zu keinem Ergebnis. Aber egal, Denkkapazitäten sollten gespart werden.

Ab 09:00: Austreibungsphase

Wir bekommen unsere hübschen IMPP Knobelheftchen ausgeteilt und dürfen loslegen. Zuerst wird überprüft, ob Antwortbogen A auch zu Fragebogen A passt, so dass keine unangenehmen Überraschungen auftreten. Passt alles. Auf geht’s! Die Fragen sind hier nicht nach Fächern sortiert, sondern es wird einem ein Mischmasch aus Physiologie, Physik, Chemie und Biochemie geboten. Chemie und Biochemie konnte ich irgendwie kaum unterscheiden. Ich merke, dass man Rifampicin zu Rifamycin umbenannt hat und frage mich, ob das sei, damit die Prüfungsaufgabe frisch und neu wirkt. Trotzdem hemmt es immer noch die prokaryontische RNA-Polymerase. Zwischendurch kommt mal die Betreuerin vorbei, um nochmal zu kontrollieren, ob wir auch wirklich sind wer wir zu sein scheinen und schaut sich die Einladungen an. Da keine Kommunikation während der Prüfung  erlaubt ist, schreibe ich auf meine Einladung: “Hallo Betreuer”. Aus Jux dann auch noch “Spicker auf Rückseite! (nicht vergessen!)” und auf die Rückseite meine Gedankenbrücke “2-1=1???”. Die Aufseherin dreht suspekt das Blatt um, ich kichere, aber danach habe ich mich schlecht gefühlt… Beim ersten Durchgang überspringe ich die ganze physikalische Rechnerei, um mich ganz den logische Zusammenhängen der Physiologie und Biochemie/Chemie widmen kann. Hat gut funktioniert! Die Fragen kamen einem großteils bekannt vor, richtige Stolpersteine wurden einem diesmal, wie ich finde, nicht gelegt. Mitten in der Prüfung niest jemand, ich will “Gesundheit” sagen, aber es hieß ja keine Kommunikation während der Prüfung. Ich widme mich nun  dem Durchgang und rechne fleißig im Kopf, bis das Ergebnis mit einem Ergebnis aus der Liste übereinstimmt. Fertig. Fertig! Nochmals will ich mich überzeugen, dass es wirklich nur 160 Aufgaben gibt, statt der wie auf dem Lösungsbogen angegebenen 190. Jep, stimmt. In die letzten paar Seiten wurden die überschüssigen Studiengelder gepumpt, indem man sie lediglich mit dem Satz “BITTE NICHT AUSFÜLLEN!” bedruckt hat. Da die Blase immer voller, der Magen immer leerer und die Lider immer schwerer werden und ich nicht in Panik ein korrektes Ergebnis ausstreichen will, gebe ich meinen Lösungsbogen ab und verlasse den Saal. Um ein Uhr könnte ich mir das Angabenheft holen, aber ich gehe lieber was trinken und danach ins Bett.

Danach; Entspannungs- und Füllungsphase 

Da ich meinen Zug verpasst habe, weil ich zu langsam war, begebe ich mich zur nahegelegen Mensa auf dem Biochemie-Campus. Hunger habe ich keinen, also gönne ich mir ein Weißbier. Da ich ein Glas abgelehnt hab und lieber aus der Flasche trank, erinnerte ich mich auf die harte Tour, warum man das nicht macht…

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