Um über das Vorliegen eines Behandlungsfehlers zu befinden, orientieren sich die Gerichte, mangels eigener Sachkunde zumeist an Gutachten. Dementsprechend groß ist die Bedeutung eines solchen Beweismittels im Streitfall.
Häufig drängt sich dabei von ärztlicher Seite die Besorgnis auf, der Patient werde den Untersuchungstermin zur Beeinflussung des Gutachters nutzen.
Die Frage, ob dem ehemaligen Behandler und nunmehr beschuldigtem Arzt ein Anwesenheitsrecht bei der gutachterlichen Untersuchung des Klägers zustehe, war bislang umstritten. Bisweilen wurde dem Arzt die Anwesenheit bei der gutachterlichen Untersuchung gänzlich verwehrt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az.: 22 U 174/07) hat dem verklagten Arzt nun – im Fall einer zahnmedizinischen Begutachtung –, ein Anwesenheitsrecht zugesprochen.
Die Richter stellten in dem Urteil zu Beginn klar, dass zwar jede ärztliche Untersuchung einen Eingriff in die Privat- und Intimsphäre einer Person darstelle, jedoch andererseits jede Beweisaufnahme ohne Anwesenheit einer Partei in deren Recht auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren eingreife. Beide Rechtsgüter seien schützenswert, so dass in jedem Einzelfall eine Abwägung vorzunehmen sei.
Dabei sei es durchaus von Bedeutung, auf welche Bereiche des Körpers sich die vom Sachverständigen durchzuführenden Untersuchungen bezögen und inwieweit Erläuterungen der Prozessparteien gegenüber dem Sachverständigen zu erwarten seien. Die Mundhöhle- um die es im vorliegenden Fall ging- sei kein Bereich, bezüglich dessen gemeinhin eine besondere Scheu zur Offenbarung zu bestehen pflege. Dies gelte erst gegenüber einem Zahnarzt, der die betreffende Mundhöhle schon des Öfteren gesehen und behandelt hatte.
Demgegenüber sah das Gericht eine erhebliche Verletzung des Grundsatzes der Waffengleichheit und des fairen Verfahrens, da der Gutachter als „Spezielle Anamnese“ „Angaben der Patientin beim Untersuchungstermin“ in das Gutachten aufnahm, die in einem Gespräch zwischen Gutachter und Klägerin gemacht wurden, zu dem dem beklagten Zahnarzt der Zutritt verwehrt wurde.
Praxistipp:
Sollten Sie in einen Haftungsprozess verwickelt sein, so bestehen Sie auf Ihr Anwesenheitsrecht bei der gutachterlichen Untersuchung. Wird Ihnen dieses Recht verwehrt, so kann dies im Prozess möglicherweise als Beweisvereitelung geltend gemacht werden.
Letztlich können Sie den Prozess durch die Beanspruchung Ihres Anwesenheitsrechtes positiv lenken- sei es durch die Wahrung der Objektivität im Gutachtentermin oder durch das Gewinnen einer günstigeren Beweissituation.