Ein Arzt ohne Doktortitel – ist der eigentlich kompetent? Die Antwort ist ganz einfach: Genauso kompetent oder inkompetent wie der mit dem Doktorhut. Der Erwerb des Doktortitels, die sog. Promotion, setzt eine sogenannte Doktorarbeit voraus. Mit dieser Arbeit soll der Student nachweisen, dass er wissenschaftlich selbständig forschen kann.
In den meisten Fächern beginnt das „Doktorstudium“ im Anschluss an den Abschluss in Physik, Jura oder Germanistik. Ärzte erwerben ihren Dr. med. meist schon während des Studiums.
Soviel geforscht wird nicht während der medizinischen Doktorarbeit. Ganz viele medizinische Doktorarbeiten sind z.B. statistische Auswertungen von Krankenakten: Da wird dann abgezählt, ob die Operation eines bestimmten Herzklappenfehlers die besten Ergebnisse im dritten Lebensjahr, nach der Einschulung oder in der Pubertät bringt. Das ist nicht unwichtig. Aber es macht aus dem Medizinstudenten keinen besseren Arzt.
Im Studium hält eine Promotion den Medizinstudenten eher vom Lernen ab. Wenn man, wie ich es musste, nebenher noch seinen Lebensunterhalt selbst verdienen muss, dann überlegt man sich ganz genau, ob die Zeit noch reicht, einen Doktortitel zu erwerben, der einen irgendwie nicht weiter bringt. Der nur dazu da ist, um einen Titel tragen zu dürfen.
1987 sah der damalige Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Karsten Vilmar, noch ideologische Gründe für die unter Medizinstudenten damals zunehmende Verweigerung des Doktortitels. Er sagte laut Spiegel 8/1987:
„Die Promotionsverweigerung hat … in erster Linie ideologische Gründe: Das sind vielfach Leute aus dem linken Spektrum, Grüne, Alternative und Sozialdemokraten.“ Alle anderen, so Vilmar, hätten nach wie vor den „Griff am Titel“.
Nun gut, so kann man es auch sehen. In konservativen Kreisen schmückt man sich halt gerne mit Titeln und wie man gesehen hat, geht es beim Erwerb desselben nicht immer mit rechten Dingen zu.
Arzt wird, wer ein Medizinstudium von mindestens sechs Jahren erfolgreich absolviert hat und vom Staat die Berufserlaubnis als Arzt, die sogenannte Approbation als Arzt erhalten hat. Das Studium schließt mit einem Staatsexamen ab und nicht mit einer Doktorprüfung.
Niederlassen darf man sich in Deutschland nur, wenn man die Qualifikation als Facharzt besitzt, einerlei ob als Hausarzt oder als Spezialist („Gebietsarzt“). Facharzt kann werden, wer eine gewisse Zeit als Assistenzarzt gearbeitet und eine Facharztprüfung abgelegt hat.
Diese Zeit als Assistenzarzt nennt man „Weiterbildung“, die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin dauert fünf Jahre. An die Weiterbildung schließt sich die „Fortbildung“ an. Alle Fachärzte sind verpflichtet, sich regelmäßig fortzubilden und dies auch gegenüber der Ärztekammer nachzuweisen.
Die Zahl der Ärzte ohne Doktortitel nimmt ständig zu. Und ich finde das gut so. Die Tätigkeit als Arzt hat nichts mit Forschung zu tun. Wir brauchen Forschung, klar. Ärzte müssen auch Forschungsergebnisse selbständig beurteilen können, sie müssen sich fortbilden, um kompetent zu sein. Aber ein praktisch tätiger Arzt muss sich in seine Patienten einfühlen und zuhören können, er muss geschickt und entscheidungsfreudig sein, belastbar und vorurteilsfrei gegenüber seinen Patienten.
Übrigens: Wenn ich das gewusst hätte, damals, während des Studiums! Wenn ich gewusst hätte, wie viel Zeit in meinem Berufsleben ich damit aufbringen musste, meinen Patienten zu erklären, dass auch Ärzte ohne Doktor richtige Ärzte sind – ich hätte damals lieber „schnell mal eben promoviert“. Über das ganze Berufsleben gesehen, hätte ich eher Zeit gespart als Zeit verloren.