Gruß aus dem Gefängnis

War ein langer Tag heute. Das Übliche halt, eigentlich nichts Ungewöhnliches. Gegen siebzehn Uhr schaffe ich es, mir einen Schokoriegel zwischen die Kiemen zu schieben und mit ein paar Litern Krankenhauskaffeeplörre nachzuspülen: mein Frühstück. Gegen achtzehn Uhr stehe ich in Zivilkleidung auf dem Flur und belle der versammelten Schwesternschaft ein betont aggressiv klingendes „Ich gehe jetzt!“ entgegen, aber Jenny strahlt mich ganz besonders süß an: „Da wären noch Angehörige da, die wollen unbedingt nen Arzt sprechen…“
Okay. Mach ich doch. Grummelnd werfe ich mir noch schnell einen Kittel über. Und wo ich gerade dabei bin, kann ich doch auch noch schnell zwei Viggos legen, und dann….
„Jetzt geh ich aber wirklich!“
„Und was ist mit dem Zugang?“ Schwester Paula guckt gar nicht lieb. Die guckt nie lieb, aber das ist ein anderes Thema.
„Was für ein Zugang?“
„Die Dame auf Zimmer fünfzehn!“
„Sarah hat da vorhin so eine Oma aufgenommen!“ erklärt Jenny.
„Und?“
„Alles in Ordnung. Sarah hat schon alles Notwendige geregelt. Und der Rest kann bis Morgen warten!“
Jenny schiebt Paula zur Seite und strahlt wieder. Ich atme hörbar erleichtert aus.
„Also bis morgen!“ sage ich und ziehe den Kittel wieder aus, aber dann drehe ich mich nochmal um.
„Was is’n das für ‘ne Oma?“
Jenny lacht.
„Och, die ist halt ‘n bisschen dement!“
Jetzt aber nix wie raus hier! Ich stolpere die Treppe herunter und nix wie raus hier!
„He, Sie da!“
Wie bitte?
„He, Sie da unten, helfen Sie mir doch!“
Äh, was’n jetzt kaputt? Ich drehe mich um.
„Helfen Sie mir! Ich bin hier eingesperrt!“
Im zweiten Stock ist ein Fenster aufgerissen. Eine ältere Dame winkt aufgeregt zu mir herunter.
„Eingesperrt! Helfen Sie mir! Rufen Sie die Polizei!“
Moment mal… Ist das da oben nicht ungefähr Zimmer zweihundertfünfzehn?
Plöztlich geht mir ein Licht auf.
„Is klar!“ sage ich nach oben gerichtet, „Ich sag Bescheid!“
Aber jetzt nix wie weg von hier.

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