Laaanger Blogpost, den ich auch nicht jedem zumuten will, darum folgt die Hauptsache nach dem Jump. Das ist auch höchstens für andere Eltern interessant.
Wie ich vor einiger Zeit berichtet habe, ist Junior diesen August frisch in den Kindergarten gekommen. Und jetzt … kommt er wieder raus.
Das, obwohl Junior eigentlich sehr gerne ging.
Seufz.
Was ist das Problem? Diverse. Nach etwa 4 Wochen Kindergarten bekamen wir von den Kindergärtnerinnen die Aufforderung, zum Gespräch vorbeizukommen. Oh oh. Und das, nachdem wir uns schon beglückwünscht haben, dass es so gut geht. Junior erzählte zwar wenig davon, was im Kindergarten lief, schien aber sonst zufrieden. Nach dem Kindergarten war er immer ruhig und müde. Und geschlafen hat er gut – keine Alpträume oder derartiges.
Das Problem, das uns die Kindergärtnerin mitteilte, war dies: Junior ist ein ausgesprochen liebes Kind, das auch Anschluss sucht und Interesse hat – nur ist seine Aufmerksamkeitsspanne nicht so lange wie die der anderen Kinder. Gut, er ist noch eines der jüngsten und er war schon immer ziemlich aktiv … jedenfalls, beginnt er bei den anderen Kindern anzuecken … zum Beispiel wenn sie im Kreis sitzen und der Kindergärtnerin zuhören und er nach 10, 15 Minuten aufstreckt und sagt: „Wir könnten doch raus, etwas spielen!“ –
Die Kindergärtnerin meinte, er sei dann schon ruhig, wenn sie (und diverse andere Kinder) ihm sagen, das ginge jetzt nicht, aber er schaue dann halt aus dem Fenster und sei nicht aufmerksam. Was dann wieder andere Kinder dazu anregt zu sagen: „Sie, Frau … der Junior passt gar nicht auf!“ Und sie könne für ihn keine Ausnahme machen.
Soweit so schlecht. Was aber in meinen Augen schlimmer ist, ist das: Wenn die Kinder Pause haben, oder draussen im Garten sind, will anscheinend keines mehr mit ihm spielen. Und Junior versucht es dann in allen Varianten, aber sie ignorieren ihn entweder – oder wehren seine Annäherungen heftig ab. Und bei Junior ist es so: von sich aus fängt er eigentlich nicht an, jemanden zu hauen, aber … wenn ihn jemand schupft, dann schupft er zurück. Oh, ja. Und dann eskaliert das.
Die Kindergärtnerin meinte, sie kann nicht immer eingreifen.
Ihrer Meinung nach sei es für ihn besser, wenn wir ihn rausnehmen und noch ein Jahr warten dann sei er reifer und eher bereit für den Kindergarten, der heute ja kaum weniger ist als eine Vorschule. Jetzt hätten wir noch die Möglichkeit, handele es sich doch um das erste, freiwillige Jahr – nächstes Jahr wäre es dann schwieriger. Ab nächstem Jahr ist es so, dass wegen der Schulsystemumstellung dann für alle Kinder 2 Jahre obligatorisch sind.
„Und was machen sie dann in so einem Fall?“ Frage ich.
Kindergärtnerin: „Dann wird es schwieriger. Dann müssen wir die Schulbehörden einschalten und den Psychologen und dann käme er eventuell in eine Sonderklasse.“
Sie meint, wenn wir ihn drinlassen, wird er weiter geplagt und weil es ihm dann bewusster wird, dass er nicht wie die anderen mitkommt, würde ihm das nicht gut tun und sie fände es schade, wenn ein so freundlicher Junge deswegen Probleme bekommt und die Lust an Kindergarten und lernen verliere.
Das tut weh. Und es bringt uns eine Menge Probleme und Neuplanung – meine Arbeitszeiten habe ich an den Kindergarten angepasst. Wenn das jetzt wegfällt, müssen wir wieder für Betreuung schauen – und ich will ihn nicht einfach hin- und herschieben.
Also sagen wir ihr erst mal, dass wir das diskutieren müssen.
In der folgenden Woche beobachte ich Junior intensiv. Ich frage jetzt gezielt nach dem Umgang der anderen Kinder mit ihm. „Sind sie nett mit dir?“ Antwort: „Ein bisschen.“
Ich habe den Eindruck, dass er den Kindergarten als Errungenschaft ansieht – als etwas, wo er gehen „darf“, nicht „muss“ und er auch darum so wenig von seinen Problemen dort erzählt. Ausserdem ist er wirklich gern mit anderen Kindern zusammen und bemüht sich.
Aber er eckt an. Und dann erzählt er, dass er geschlagen wurde. Dabei handelt es sich vor allem um ein anderes Kind im Kindergarten. Nennen wir ihn mal „X“. X ist jetzt im 2. Jahr Kindergarten und scheint ein bisschen ein Alphatier zu sein. Mein Mann erzählt mir, dass er beobachtet hat, wie auf dem Spielplatz, wo X auch war, der Junior heftig umgestossen hat und dann mit ein paar anderen Kindern, die auch im Kindergarten sind weggerannt ist.
Dann kommt Junior in der Woche mit einem ziemlich üblen Kratzer auf der Wange nach Hause. Und wieder war es X, dem er den zu verdanken hat. In der Pause hat er ihn geschlagen – ins Gesicht.
Am nächsten Morgen, als ich Junior in den Kindergarten bringe, reden wir mit der Kindergärtnerin darüber. Die erklärt uns, dass X letztes Jahr, als er noch zu den „Kleinen“ gehörte, ziemlich „unten durch“ musste. Er wurde offenbar von manchen älteren Kindern geplagt. Und jetzt – gibt er das offenbar weiter. Speziell an Junior.
Na super. Und als Älterer hat er schon einen gewissen Bekannten -(ich will nicht sagen Freundes-)kreis im Kindergarten und hat sich jetzt zu einem Anführer entwickelt.
Jedenfalls holt sie ihn für uns her und mein Mann hat ein Wort mit ihm, dass er anständiger sein muss im Umgang mit anderen Kindern. Speziell mit Junior. Hauen geht gar nicht!
Nicht dass es viel genutzt hat.
Später bekommen wir noch heraus, dass X nicht nur im Kindergarten einen Ruf hat (offensichtlich hat er auch schon in der anderen Spielgruppe ein Mädchen blaugeschlagen), sondern er terrorisiert auch seine Nachbarschaft. Die alleinerziehende Mutter ist mit ihm völlig überfordert.
Und dann kommt der Samstag, wo ich mit Junior wie öfter mal auf den grossen Spielplatz im Nachbarort gehe. An dem Samstag sind für einmal nicht sehr viele Kinder da, aber ich setze mich wie immer auf eine Bank und lasse Junior selbst spielen und suchen. Er ruft schon, wenn er mich für etwas will. Auf dem Spielplatz ist auch ein Vater mit kleinem Mädchen. Ich sehe, wie Junior zu ihr hingezogen ist, aber sie ist noch etwas klein und darum auch nicht sehr interessiert an ihm – Papa ist da noch wichtiger. Jedenfalls, Junior klettert die Leiter hoch, auf der sie auch grad ist und … steht ihr auf die Hand! Nur kurz und wohl auch nicht sehr fest, aber definitiv mit Absicht. Ich stehe auf und laufe zu ihnen, wo ich mitbekommen muss, wie er – inzwischen oben auf dem Gerüst auf das Mädchen herunterruft: „Ich will dich nicht! Du bist nicht mein Freund! Hau ab!“
Jetzt – bin ich tief geschockt. Das ist er nicht. So ist er nicht. Das entspricht so was von nicht seinem Naturell … ich klettere hoch und nehme ihn auf die Seite um mit ihm zu reden. Ich merke gleich, dass ihm das Ganze gar nicht recht ist. Ein paar ruhige Worte von mir bringen ihn fast zum weinen. Mir ist ziemlich klar was das ist: Das ist wahrscheinlich genau das, was er im Kindergarten zu hören bekommt und jetzt … gibt er es einfach weiter.
Ich frage ihn und er bestätigt das. Ich erkläre ihm, dass das so nicht geht. Das weiss er dann offenbar selbst, dass man sich da nicht gut fühlt – und dass das Mädchen das nicht verdient hat. Da geht er und entschuldigt sich bei dem Mädchen – und ich mich beim Vater. Der meinte, es war nicht wirklich schlimm, dankt aber für die Erklärung.
Nach der Episode bin auch ich überzeugt, dass es für Junior besser ist, wenn er da raus kommt. Das ist schon fast Mobbing – und wenn das schon vorher (lies: letztes Jahr) so ein Klima war im Kindergarten, ist auch nicht zu erwarten, dass das besser wird.
Er darf normal weiter bleiben, bis zu den Schulferien – danach haben wir Ferien … und danach kommt er einfach nicht wieder zurück in den Kindergarten. Für die Zeit, wo ich arbeite und mein Mann organisieren wir zusammen mit dem Tagesheim etwas. Dort ist er auch mit Kindern zusammen und auch dort lernt er etwas, kann aber halt noch ein bisschen mehr „Kind sein“.
Er soll auch nicht das Gefühl haben, dass er daran „Schuld“ ist. Das ist er nicht.
Ein bisschen tun mir noch die anderen Kinder leid. Wenn er weg ist, sucht sich X nämlich sicher ein anderes Opfer.
Aber jetzt: freue ich mich erst mal auf die Ferien.
Sorry für den episch langen Bericht, aber ich bin froh, mir das von der Seele schreiben zu können.
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