In meine psychologische Praxis in Tübingen kommen viele Klienten mit den typischen Beschwerden des Ausgebranntseins wie Energielosigkeit, Antriebslosigkeit, große innere Unruhe, nicht mehr abschalten können… Und natürlich geht es da erst einmal darum, schnell Symptome zu lindern, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, um den oft schnell fortschreitenden Erschöpfungsprozess zu stoppen und eine Weiterentwicklung zur Depression zu verhindern. Doch diese ganz praktische psychologische Arbeit ist meiner Erfahrung nach bei Burnout nur die halbe Miete.
Heraklit, dessen weise, paradoxen Epigramme ich sehr liebe, hat bereits gewusst: “Was sich entgegenstellt, bringt Nutzen.” Wenn Sie selbst Betroffener oder Betroffene von Burnout sind, lohnt es sich einmal über diesem Sinnspruch zu meditieren und ihn in Ihrem Herzen zu bewegen. Neben aller wichtigen psychologischen Hilfe zur Selbsthilfe ist es zur Gesundung und wirklich tiefgreifenden, nachhaltigen Heilung sehr hilfreich sich folgende Fragen zu stellen:
*Was ist das Gute am Schlechten?
*Wenn mein Burnout mein innerer Coach wäre, was könnte er mit mir trainieren wollen?
*Wenn mein Burnout mein Freund statt mein Feind wäre, woran könnte ich seine Liebe erkennen?
*Was wäre wenn mein gerade nur schwach glimmendes Feuer, die Sehnsucht nach dem voll lodernden Feuer meiner Energie, Kreativität und Leidenschaft letztendlich wieder umso mehr entfachen würde?
Wo ist mein Feuer geblieben heißt nichts anderes als: Wo ist mein Leben geblieben? Wo ist meine Freude geblieben? Was hat mich mal begeistert, inspiriert und meine Lebenssäfte zum Fließen gebracht? Wo sind meine Farben und meine Villa Kunterbunt hin verschwunden? Wenn ich mir solche Fragen stelle, kann ich zurück zu meiner Wurzel gehen, den Heimweg antreten, mich neu mit meinem kreativen Spirit verbinden und wieder in meine Mitte kommen. In die Mitte, die immer da war, nur ich war nicht zu Hause.
Und dann erkenne ich vielleicht was mich Heraklits Sinnspruch “was sich entgegenstellt, bringt Nutzen” lehren könnte: Dass mein Burnout nicht ein grausamer Schlag des Schicksals, sondern in Wirklichkeit eine Gnade ist. Weil er mich, wenn ich seine Botschaft verstehe, wieder zu mir zurückbringen kann. Und weil er mich wieder da einnorden kann, wo ich hingehöre: In mein ruhiges, lebendiges, inneres Zentrum, in mein stilles Auge im Wirbelsturm des wahrscheinlich auch weiterhin immer mal wieder recht stressigen Berufsalltags.