Ein bisschen Politik: Argumente der Facharztgegner und wie man sie entkräftet

 

Behauptung Gegenargument

Notfallmedizin ist keine Karriereoption, keiner will das ein Leben lang machen

Die Argumentation ist gegenwärtig nicht mehr haltbar. Die Anzahl der Kliniken mit ZNA steigt stetig, diese benötigen Fachpersonal auf Chef- und OA-Positionen mit
klinisch-notfallmedizinischer Expertise. Die Realität ist hier schon weiter als die Argumentation der Gegner. De facto bietet die Notfallmedizin gegenwärtig sogar ohne eigenen
Facharzt schon gute Karriereoptionen, welche mit eigener Facharztkompetenz nur noch besser wären. Inwieweit Klinische Notfallmedizin ein Lebensentwurf ist, ist sicher individuell
unterschiedlich, ein späterer Wechsel bleibt unbenommen, auch in anderen Disziplinen wechseln Ärzte in den nicht-kurativen Teil. Trotzdem kann Notfallmedizin gerade im Alter eine
dauernde Herausforderung bleiben, eine Schichtarbeit ist in höheren Positionen ebenfalls nicht regelhaft notwendig. Wir bedanken uns bei unseren Argumenationsgegnern jedoch für
die “aufrichtige Sorge” um unsere berufliche Zukunft. 


Für eine Facharztbezeichnung muss ein flächendeckender Bedarf vorhanden sein

Jährlich steigende Patientenzahlen in den Notaufnahmen von 5-10% zeigen wohl deutlich genug einen steigenden Bedarf an kompetenter Notfallversorgung aus Patientensicht.
Bezüglich des Personalbedarfs in den Notaufnahmen sei auf die wöchentlichen Stellenanzeigen im DÄB hingewiesen, jedes Krankenhaus, unabhängig von seiner Grösse, kann durch eine
gut strukturierte Notaufnahme seine Wirtschaftlichkeit und Notfallversorgungsqualität steigern, insofern ist auch hier ein flächendeckender Bedarf vorhanden.


Fehlende Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten

Tja, warum nur ist das so? Nur ein Schelm glaubt, dass die Gegner selbst hiermit etwas zu tun haben. In Deutschland gibt es genug Universitäten und Grosskliniken, die ein
eigenes Ausbildungscurriculum aufstellen könnten, wenn man die interessierten Leute nur liesse.


Zusatznutzen eines Facharztes ist wissenschaftlich nicht belegt

Dürfte ohne das Vorhandensein eines Facharztes auch schwer zu belegen sein. Fakt ist jedoch, dass eine qualitativ hochwertige notfallmedizinische Forschung derzeit aus den
Ländern mit einem Facharzt kommt und die Gegner in Deutschland keine Hemmungen haben, deren Ergebnisse ungeniert zu verwenden.


Fachdisziplinen müssen ihre „eigenen“ Notfälle selbst behandeln

Klinische Notfallmedizin ist mehr als die Summe verschiedener Fachdisziplinen und enthält weitere wichtige Themen wie fachübergreifende Notfallsonographie, Triage,
betriebswirtschaftliche Inhalte u.v.m. Darüber hinaus steht bei den meisten Notfällen eines oder mehrerer Symptome kein definiertes Erkrankungsbild im Vordergrund, so dass die
primär zuständige Disziplin gar nicht so einfach zu bestimmen ist. Die zunehmende Multimorbidität einer alternden Bevölkerung trägt hierzu ihr Übriges bei.


Der Facharztstandard muss gewahrt sein

Nett gesagt. In der Realität ist dank des Ärztemangels wohl eher ein Berufsanfänger, mit Pech auch noch mit Sprachbarriere, der erste Ansprechpartner in der Nacht. Darüber
hinaus schadet eine ganzheitliche Erstversorgung sicher nicht. Eine Koro wird sicher auch in Zukunft noch vom Facharzt für Kardiologie durchgeführt, eine Schenkelhalsfraktur vom
Unfallchirurgen operiert.

Umso mehr sollte auch auch in der Notaufnahme der Facharztstandard Standard sein: durch einen Facharzt für Notfallmedizin. Auch aus personellen und ökonomischen Gründen
dürfte das gleichzeitige Vorhalten eines FA vor Ort 24/7 kaum finanzierbar sein und ist auch nicht sinnvoll.


Es ist nicht wirtschaftlich flächendeckend neue Abteilungen zu errichten.

Die Entscheidung vieler Krankenhäuser, die gegenwärtig stark unter wirtschaftlichen Druck stehen und trotzdem ZNA´s einrichten, spricht eine andere Sprache. Fachärzte
anderer Disziplinen sollten besser für eine 24h-Versorgung ihrer Spezialisationstätigkeiten vorgehalten werden (Endo- Koro-, OP-Bereitschaft), wo man sie dringender
benötigt.

 


Notaufnahme wird in den Weiterbildungscurricula der einzelnen Disziplinen ausreichend abgebildet

Lediglich die Chirurgie fordert noch 6 Monate Notaufnahme im common trunk, Notaufnahme in der Internistenausbildung ist fakultativ und beim Anästhesisten gar nicht
vorgesehen.

Wesentliche Elemente der Notfallversorgung treten in keinem Curriculum auch nur auf: MANV, Triage, symptomorientierte Notfallsono, betriebswirtschaftliches Denken.


Für bestimmte Krankheitsbilder ist eine zeitnahe algorithmenbasierte Abarbeitung nachweislich prognoseverbessernd

Korrekt. Es existiert allerdings keine Vergleichsstudie, die Behandlung durch Organfacharzt vs. algorithmenorientierte Behandlung durch Notfallmediziner vergleicht. Im
Übrigen kommen grosse Teile dieser Konzepte (CPU, Schockraum) aus den kritisierten angloamerikanischen Systemen.

Und überhaupt: wer ist der Organfacharzt für Sepsis? Gerade die Versorgungsqualität solcher Patienten ist gefährdet bei Einzeldisziplinen mit zunehmend spezialisierten
Denkkonstrukten, nämlich durch Fehltriage und Konsilexzesse.


Patienten erwarten eine schnelle fachärztliche Versorgung

Patienten erwarten vor allem eine gute, zügige Versorgung. Sie erwarten nicht stundenlang auf einen Facharzt warten zu müssen, der sie dann zum Nächsten und Übernächsten
konsiliert. Sie erwarten die Diagnostik zu bekommen, die notwendig ist und nicht die, die das Krankenhaus gerade vorrätig hat. Sie erwarten vor allem EINEN verantwortlichen
Ansprechpartner.


Zusatzqualifikation muss reichen

Zu einem Zeitpunkt, in dem in der angloamerikanischen Welt die Subspezialisierung der Notfallmedizin nach einem mehrjährigem Facharzt-Curriculum beginnt, wird in Deutschland
noch über einen 80-Stunden Kurs nachgedacht, das sagt ja wohl alles. Die Notfallmedizin wird zunehmend komplexer, allein die Möglichkeit der Differentialdiagnostik im klinischen
Setting macht diese mit der Präklinik und ihrem 80-h Kurs wohl kaum vergleichbar

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