Epileptischer Anfall in der Notaufnahme

Rettungsdienst und Notarzt bringen sie gerne und häufig: Pat. die unter dem Verdacht stehen einen epileptischen Anfall gehabt zu haben. Leider werden häufig auch Patienten gebracht, die eine
bekannte Epilepsie haben, wieder vollständig wach, orientiert und ohne Defizit sind. Hierfür gibt es keinen medizinischen Grund! Eine Ausnahme kann sein, falls z.B. ein Schädel-Hirn-Trauma im
Rahmen des Anfalls vermutet wird oder der Pat. klinisch (noch) nicht wieder in seinem Ausgangszustand ist. Die Praxis lehrt, dass die meisten bekannten Epilepsie-Patienten spätestens bei
Eintreffen in der Notaufnahme wieder vollständig regeneriert sind und bald darauf wieder nach Hause gehen. Hiergegen ist nichts einzuwenden, so lange eine regelrechter neurologischer
Untersuchungsbefund vorliegt, keine Traumafolgen (SHT oder z.B. Wirbelkörperfrakturen > immer Wirbelsäule abklopfen) und kein Trigger (Infekt, Alkoholentzugssyndrom,
Schlafmangel) imponiert. Patienten, bei denen ein Trigger vermutet wird, welcher eine unmittelbare Behandlung erforderlich macht (z.B. Alkoholentzugssyndrom) sollten besser einbehalten werden.
Bei geschäftsfähigen Patienten, die dennoch gehen, empfiehlt sich eine gute Dokumentation der Entlassung entgegen der ärztlichen Empfehlung sowie (auch im Eigeninteresse des Diensthabenden) ein
antikonvulsive Abschirmung zumindest bis zum nächsten Morgen (z.B. mit Tavor 1 mg 1-1-1-1).

 

Auf die Fahruntauglichkeit sollte bei allen Pat. mit Z.n. nach epileptischem Anfall hingewiesen werden (die genaue Dauer der Fahruntauglichkeit variiert und ist unter
http://www.epilepsie-netz.de/155/Epilepsie-Ratgeber/Fuehrerschein.htm nachzulesen).

Nun zu Patienten, die den ersten epileptischen Anfall in ihrem Leben erlitten haben sollen. Zunächst die Frage, ob es wirklich bzw. wahrscheinlich ein epileptischer Anfall war. Die
wichtigsten 3 Differenzialdiagnosen zu einem epileptischen Ereignis
sind psychogene

nichtepileptische Anfälle, (konvulsive) Synkopen und, bei Anfällen aus dem Schlaf im höheren Lebensalter, REM-Schlaf-Verhaltensstörungen. Im Alltag der
Notaufnahmen kommt es meist zu einem Zweikampf zwischen der internistischen Synkope und dem neurologischen Anfall. Hier eine kleine Gegenüberstellung:

 

 

Epileptischer Anfall

Konvulsive Synkope

Augen offen, starr, leer oder verdreht

Augen offen, nach oben verdreht

Dauer unter 2 min

 

Dauer im Sekundenbereich

Höchst unterschiedliche Anfallsphänomene,

(individuell jedoch konstant)

Asynchrone Myoklonien,variable Abläufe,

Oft Armbeugung, Beinstreckung

Verlängerte (>5 min) Reorientierung

Rasche Reorientierung < 1 min

Das entscheidende ist also die Fremdanamnese bzw. die Frage an den Pat., woran er sich als erstes erinnern kann (Reorientierung). Wenn er sich erst im
Rettungswagen wieder reorientieren konnte, dann ist dies eindeutig zu lang für eine konvulsive Synkope! Laut Leitlinie (siehe Link am Ende des Textes) kann im Labor die CK-Bestimmung hilfreich
sein, wobei der Anstieg hier erst nach 24-48 Stunden  nach Ereignis kommt und in erster Linie bei generalisierten epileptischen Anfällen (Einbeziehung vieler Muskelgruppen) zu messen
ist.Prolaktin als Standard bei Aufnahme zu bestimmen wird NICHT empfohlen. Wenn die Notaufnahmeschwester aber schon schneller war und es dennoch bestimmt hat, dann sollte am
Folgetag zu gleicher Uhrzeit erneut Prolaktin abgenommen werden, um die These anfallsbedingten Erhöhung zu überprüfen. Sollte es am Folgetag weiterhin erhöht sein, so ist ein besonderes Augenmerk
auf die Dauermedikation zu richten oder an ein Prolaktinom zu denken.

Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass wir die Erstmanifestation eines epileptischen Anfallsvor uns haben, so sind folgende Schritte zwingend:

Eine zerebrale Bildgebung, idealerweise cMRT mit temporaler Angulierung

Ein EEG (und falls dieses unaufällig ist ggf. ein EEG nach Schlafentzug) mit der Frage nach epilepsietypischen Potentialen
(Spitzenpotentiale)

Fehlen Kopfschmerzen, Meningismus, Hinweise auf einen Infekt (Labor,Fieber), Hinweise auf einen schweres Schädel-Hirntrauma, Warnhinweise wie Erbrechen, psychomot.
Verlangsamung, erhöhte D-Dimere 
kann auf eine Akutbildgebung mittels cCT verzichtet werden. Im Zweifel, je nach Kompetenz im Hinblick auf eine solide
neurologische Untersuchung und je nach Compliance des Patienten, muss teilweise dann doch eines gemacht werden. Die Empfehlung zur zeitnahen Durchführung eines MRT des Schädels
bleibt jedoch bestehen!
 

Im MRT suchen wir nach strukturellen Läsionen (Anlagestörungen des Gehirns, Tumoren, Ischämien/Blutungen etc.). Der Standardverlauf für eine Notaufnahme ohne Neurologie und Zuweisung am
Freitagabend sähe also vielleicht so aus: In der Notaufnahme möglichst genaue klinische Untersuchung, Schädel CT, Labor inkl. D-Dimere, Überwachung hinsichtlich weiterer Anfälle oder neuer
Aspekte für mind. 24 h (ggf. inkl. Kontrolle von Prolaktin und CK falls initial erhoben) und danach Empfehlung zur (semi-)elektiven Vorstellung in der nächsten Neurologie (falls ein Schlafentzug
nötig wird, muss dieser stationär erfolgen) oder zumindest via Niedergelassener EEG und MRT dringend und zeitnah empfehlen. Fahruntauglichkeit mindestens bis alle Befund vorliegen, in der Regel
jedoch 12 Monate!

Die Diagnose einer Epilepsie wird in der Regel NICHT beim ersten epileptischen Anfall gestellt, es sei denn EEG oder MRT Befund legen dies nahe. Daher wird häufig auch KEINE antikonvulsive
Einstellung vorgenommen, wenn die erhobenen Befunde keine im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöhte Rezidivgefahr belegen.

Will/muss ein Pat. antikonvulsiv abgeschirmt werden (z.B. Gelegenheitsanfall im Rahmen einer fiebrigen Pneumonie, so empfiehlt sich für wenige Tage ein
Benzodiazepin (z.B. Clobazam als FRISIUM 10 mg 0-1/2-1/2-1 oder auch Lorazepam/Diazepam als Tavor/Faustan). Die Aussagekraft des EEG sinkt hierdurch natürlich, so dass eine Abschirmung vielleicht
zum EEG-Termin wieder abgesetzt sein sollte.  

Link Leitlinie DGN http://dgn.org/images/stories/dgn/leitlinien/LL2008/ll08kap_001.pdf


 

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