Wenn eine Ueberweisung in ein Krankenhaus nicht möglich ist

Dr. Heinze ist noch einige Tage in Buda im Armenhospital der Ärzte für die Dritte Welt – German Doctors und berichtet von seiner Arbeit:

Viele Grüße vom Team in Buda

„Zwei Wochen sind vergangen seit meinem Visitenbericht. In zwei Wochen kann vieles geschehen mit kranken Kindern. Von ein paar Patienten aus meinem Bericht will ich erzählen, wie es weiterging.

Rowena und ihr Vater

Rowena zum Beispiel. Rowena ist 12 und wohnt zwei Stunden von hier in Richtung Westen. Ein dünnes, aber gesundes Mädchen mit vie Geschwistern. Mitte Oktober fühlte sie sich nicht mehr gut, hatte auch Fieber und Bauchweh. Die Vorstellung in der Ambulanz ergab: Fieberhafter Infekt und Verstopfung. Paracetamol und Dulcolax. Das Fieber ging zurück, dafür wurde der Bauch dicker und Rowena bekam Husten. Vie Tage später war sie wieder bei uns, Diagnose diesmal: Erkältung. Nach weiteren zwei Tagen war aus der Erkältung heftige Atemnot geworden und der Bauch passte gar nicht mehr zum Kind: Ein Kugel auf uwei Streichhölzern. Erneute Vorstellung in unserer Ambulanz. Nun wurde erstmals ein sehr lautes Herzgeräusch gehört: So laut, da stimmte was nicht! Im Ultraschall Ascites, Gallenblasenödem, gestaute Lebervenen, Pleuraerguss. Rowena hatte eine schwere akute Herzinsuffizienz mit Lungenödem. Auweia. Was tun? In Hamburg wäre die Sache klar: Ab in’s UKE, Abteilung für Kinderkardiologie, Adieu. Hier ist es anders. Ein Kind kann nicht einfach in eine Spezialklinik gebracht werden. Zum ersten muss die Bezahlung geklärt sein – das war in diesem Fall noch das einfachste: Bezahlung gibt’s nicht. Und die Zuständigkeit muss auch klar sein. Rowena wohnt westlich von Buda, also ist das SPMC in Davao (östlich, da kann Sr. Marinella Spendenfonds anzapfen) nicht zuständig. Was tun? Das kläre ich am Handy mit Martin Grau, Internist und medizinischer Leiter des German Hospital in Cagayan de Oro. Die German Hospitals dort und in Valencia kosten die Familie kein Geld, sind auf das Problem aber auch nicht besser eingestellt als wir in Buda. Wir beschließen: Kinderkardiologie selber machen. Lehrbuch ‘raus und los.
Und so kam es, dass ich jetzt eine Endokarditis mit Herzinsuffizenz aus dem Pfadfinderhandbuch behandle: Drei Antibiotika, Digoxin, Diuretikum und alle drei bis fünf Tage eine “Echocardiographie” mit dem 5 Mhz-Linearschallkopf von vor circa 15 Jahren. Rowena ist dünn und macht gut mit, und ihre Vegetationen auf der Mitralklappe sind so groß, dass selbst ich sie auf den B-Mode-Bildern erkenne. Wir planen, die antibiotische Behandlung vie Wochen hier weiterzuführen und Rowena dann doch noch in’s SPMC zu verlegen – mit einem Trick von Dr. Velasco: Die Familie gehört ja zur nomadisierenden indigenen Bevölkerung. Wenn sie sich einige Kilometer nach Osten bewegt, dann ist Davao zuständig! So geht das hier. Besonderer Dank für kardiologisch-telemedizinische Unterstützung geht in die Heimatstadt!

Neben Rowena hatte Ivan gelegen, drei Monate alt. Ivan kam somnolent und mit leichtem Fieber zur Aufnahme, trank kaum noch und stöhnte ohne Unterlass. Labor und körperliche Untersuchung blieben ohne Hinweise auf die Ursache, Infusion und Antibiotika änderten zwei  Tage lang nichts. Und weil es so nicht weitergehen konnte: Verlegung nach Davao. Heute schrieb Marinella mir eine SMS: Ivan hat eine Darmtuberkulose. Man hatte ihn aufgemacht, um nachzuschauen. Nun wird er gegen Tuberkulose behandelt und es gehe ihm besser.

Die Geschichte des Zweijährigen mit dem Status asthmaticus ging gut aus. Er erhielt in Davao noch wenige Tage Intensivtherapie und konnte vor drei Tagen nach Hause entlassen werden.

RomelUnd dann war da noch Romel,zweieinhalb, das Kind der Tuberkulose behandelten Mutter und außerdem schwer unterernährt mit Elektrolytentgleisung. Am Abend erkrankte er mit hohem Fieber. Wir machten ziemlich schnell ziemlich viel Medizin und waren diesmal zum Glück erfolgreich: Romel war nach 24 Stunden wieder fieberfrei, wenngleich noch schlapp. Nach weiteren 2 Tagen sah man ihn schon wieder mit seiner Schwester durch die Gänge marschieren. Die Röntgenbilder beider Kinder – mit einer Woche Verspätung angefertigt – zeigen keinen Hinweis auf Tuberkulose. Deshalb werden beide als “PPD-Converter” klassifiziert: TB-Test positiv wegen der Exposition, selbst aber nicht erkrankt.Blieb noch das Hungerproblem: Ende letzter Woche aß Romel in definierter Zeit eine definierte Menge Erdnussbutter und bestand damit den “Appetite Test”. Am nächsten Tag ging’s nach Hause. Ende dieser Woche werde ich ihn zur Kontrolle wiedersehen. Dann hoffentlich mit seinem großen Bruder, bei dem muss auch noch der TBC-Test gemacht werden. Beim Rest der 6köpfigen Geschwisterschar übrigens nicht, denn nach dem Tod des Vaters hat die Mutter sich von der Hälfte ihrer Kinder getrennt – die leben weit weg bei einer Tante. So geht das hier.“

Romel

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