Also, ehrlich gesagt, ist es weniger der Tag seiner Geburt – die fand bekanntlich am 14. Juni letzten Jahres statt, aber heute genau vor einem Jahr, da wurde er… tja, wie soll ich das jetzt sagen? …räusper…. Also da ist er …ähem…. halt entstanden.
Heute genau vor einem Tag, am Dreikönigstag Anno Domini Zwotausendundelf, da haben Anna und ich die ersten Zeilen geschrieben.
Die ersten Zeilen?
Also, die gehen ungefähr so:
Balthasar Stroop besaß weder eine gültige Fahrkarte noch kannte er das Fahrtziel des Zuges. Aber drinnen war es warm und trocken und das sanfte Schaukeln – in Verbindung mit einem beachtlichen Blutalkoholspiegel – hatte ihn in einen äußerst erholsamen Schlaf gewiegt, zumindest so lange, bis er durch einen jähen Ruck geweckt wurde.
„Endstation, alles Aussteigen!“
Balthasar öffnete langsam die Augen. Wo war er? An der Außenseite des Fensters klebten Regentropfen. Und dahinter war Dunkelheit.
„Auch Sie bitte aussteigen, ja?“
Balthasar hatte keine Lust, sich mit dem Uniformträger auf eine Diskussion einzulassen. Schon allein deswegen nicht, weil vorauszusehen war, was passieren würde, wenn sich herausstellte, dass er sich nicht in Besitz der notwendigen finanziellen Mittel zur Begleichung des dann wohl unvermeidlichen erhöhten Beförderungsentgeltes befand. Schlimmstenfalls stünden ihm wieder ein paar Stunden auf einem Polizeirevier bevor, und das hatte er heute schon einmal erlebt. Natürlich hatten sie ihn laufen lassen müssen.
Anschließend hatte er die nächstgelegene Kneipe aufgesucht. Beim ersten Bier war er stolz auf sich gewesen. Hatte er es den Bullen doch wieder mal gezeigt! Einen Unschuldigen … halt!
Schon nach dem zweiten Bier waren ihm Zweifel gekommen: So unschuldig war er nämlich gar nicht. Aber darum ging es nicht … oder doch?
Nach dem dritten Bier hatte er erstmals daran gedacht, dass eine unverzügliche Ortsveränderung vielleicht keine schlechte Sache sei.
Er hatte ein weiteres Bier gebraucht um zu überlegen, wohin er ziehen wollte, und hatte auch nach dem fünften Bier noch keine Lösung gefunden und deshalb nach dem sechsten Bier beschlossen, einfach zum Bahnhof zu gehen und in den nächsten Zug zu steigen.
Dieser Zug hatte soeben seinen Endbahnhof erreicht und Balthasar hatte keine andere Wahl als auszusteigen und in den Regen hinauszutreten.
Einundzwanzig Uhr einunddreißig.
Zeit, sich ein Nachtquartier zu suchen. Ohne entsprechende Barschaft um diese Jahreszeit nicht unbedingt ein einfaches Unterfangen.
Stell Dich gefälligst nicht so an, dachte er, es ist ja schließlich nicht das erste Mal! Er schulterte seine Tasche und mit geübtem Blick scannte er die Umgebung: Fahrkartenausgabe und Wartesaal längst geschlossen. Am Bahnhofsvorplatz Schneematsch und Pfützen. Dahinter eine Dönerbude, ein Chinarestaurant und ein, zwei Kneipen. Etwas abseits war eine Art Villa mit Vorgarten und einem Zaun … was Balthasar sehr praktisch fand, denn ihn plagte gerade ein dringendes menschliches Bedürfnis. Er begab sich dorthin, in respektablem Abstand zur nächsten Straßenlaterne, schlang die Tasche sicher um seine Schulter und begann an seinen Kleidungsstücken zu nesteln, als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürte.
…das ist übrigens der Anfang des zweiten Kapitels und natürlich die bearbeitete Version, so wie sie im Buch steht. In der allerersten Version klang das alles noch ein bißchen holpriger.
- Die (fast) komplette Balthasar-Story im Blog
- Balthasar – das Buch