für die seelenbalance

und dann mal wieder die impfdiskussion – ich zwinge mich, nicht langeweile aufkommen zu lassen im gemüt, aber in der regel bringen mich die diskussionen ausreichend in rage, um nicht demonstrativ zu gähnen. das wäre auch nur zu unfair. alle eltern setzen sich immer das erste mal mit dem impfgedanken auseinander, da muß man sie abholen. ich beschäftige mich schon ewig damit, als arzt muss man schließlich genauso eine position finden. zum leid für die impfkritischen ist die meine aber sehr rigide.

ich: „jetzt ist ihr sohn ja schon knapp drei – wie ist denn das mit den restlichen impfungen? es fehlen noch die letzten drei. nach den empfehlungen hätten wir die ja schon im zweiten lebensjahr beenden können.“
die mutter strahlt mich siegessicher an, keine ahnung, vielleicht erwartet sie eine bestätigung meinerseits für ihre heroische entscheidung: „ja, also da haben wir uns entschieden nicht mehr zu impfen.“
ich: „oh. schade. aber bei ihrem ersten sohn lief doch alles ok ab und der war mit fünfzehn monaten komplett geimpft. inzwischen sechse, kerngesund, keine allergie…, “ ich hake kurz die üblichen bedenken ab…“keine infektanfälligkeit, super entwicklung, alles prima. was bringt sie jetzt auf den gedanken?“
mutter: „wir sind ja jetzt in heilpraktikerbetreuung…,“ wieso? „… und der hat auch gemeint, das ist nicht nötig.“ das imaginäre klappmesser in meiner hosentasche springt auf. „die vielen umweltgifte und so. und außerdem ist das für die psyche auch nicht so gut, sagt der, für die seelenbalance, wissen sie?“ doch, sie hat das wort tatsächlich benutzt.
ich: „nee, weiß ich nicht. was hat denn ihr heilpraktiker ursprünglich gelernt?“ es soll ja auch heilpraktikanten geben, die einen echten medizinischen background haben.
mutter: „… ja, also. der ist halt heilpraktiker.“ achja. genau. was ihn zum experten für infektionskrankheiten und impfungen im speziellen macht.
ich: „sollten sie die empfehlungen zu impfungen nicht den kinderärzte zutrauen, den infektiologen?“
mutter: „aber man muss das doch auch ganzheitlich sehen. die kinder müssen doch auch mal krankheiten durchmachen.“
ich: „war ihnen ihr erstes kind zu gesund?“ autsch. rutsche mir jetzt einfach mal so raus.
mutter: „nein, das nicht. sicher, der hat auch mal erkältungen gehabt. aber vielleicht hätte er sich anders entwickelt, wenn er mal richtig krank gewesen wäre.“ ohje.
ich: „ist es nicht schade, dass wir in den impfdiskussionen jetzt schon so weit sind, dass wir uns wünschten, unsere kinder mögen doch kranker werden, damit sie sich angeblich besser entwickeln?“
mutter: „ich mein ja nur.“
ich: „ich kann sie nur bitten, sich das nochmal zu überlegen. sie haben gute erfahrungen mit ihrem ersten sohn gemacht, ich mache die gleiche mit hunderten von kindern tagtäglich über die jahre hinweg – ich kann sie nur bestärken darin, ihre kinder impfen zu lassen.“
mutter: „ja, aber der heilpraktiker…“
ich: „der wird ihnen auch nicht helfen können, wenn ihr kind die masern bekommt.“
mutter: „naja. vielleicht ja doch. und sie doch auch nicht.“
ich: „richtig. das gebe ich auch zu. der heilpraktiker wahrscheinlich nicht. bei masern gibt es kein gegenmittel. und deswegen sollte man präventiv arbeiten, um sie zu verhindern.“
mutter: „mmmh. naja. ich werd nochmal mit ihm sprechen.“
ich: „mit ihrem mann?“
mutter: „nein, mit dem heilpraktiker.“
manchmal nimmt das sektenhafte züge an. man lässt entscheidungen von anderen treffen, die keine ahnung von der materie haben, aufbauend auf einem geistigen faserigen konstrukt aus weltanschauungen, gerüchten und nachgeplapperten behauptungen. auch impfbefürworter sind oft sehr dogmatisch und streng, aber wenn es um empfehlungen zum schutz von kindern und auch um den schutz der allgemeinheit geht, muss man genau so sein. Bei der Anschnallpflicht ist das nicht anders. aber es soll auch leute geben, die ihre kinder nicht anschnallen, weil das ihre freiheit rauben würde oder sie sich im gurt verheddern könnten, wenn es zu einem unfall kommt.

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