Es stand mal wieder Studentenunterricht an. Mit mäßiger Begeisterung zerrte ich drei Exemplare dieser Gattung über die Intensivstation.
“Und hier haben wir Herrn Keller. Septisches Multiorganversagen. Um welche Organe handelt es sich? Blickdiagnose?”, fragte ich in meiner üblich charmanten Art. Die zukünftigen Hoffnungsträger des Medizinbetriebs schwiegen eisern.
“Was ist denn das da?”, fragte ich und zeigte auf einen grauen, blinkenden Kasten, aus dem Schläuche mit einer roten Flüssigkeit in Richtung Patient liefen und wieder zurück.
“Ein Hämofilter?”, flüsterte die kleine Rothaarige zaghaft.
“Ach, ein Hämofilter?”, gab ich bissig zurück. “Tatsächlich. Ein Hämofilter. Also, um welches Organ handelt es sich dann wohl?”
“Niere?”, kam es schüchtern von der anderen Seite.
“Natürlich Niere! Hätte man eigentlich wissen können.” Ich biss mir auf die Lippen, um nicht noch was Gemeines hinterherzuschieben. Dann dozierte ich kurz über Nierenersatzverfahren. “So, dann weiter, welches Organ bereitet auch Schwierigkeiten? Na?” Wieder eisernes Schweigen. Ich drehte genervt die Augen gen Himmel. Diese Studenten sind aber auch nicht das, was sie mal waren. “Was ist denn das da?”, fragte ich schließlich zunehmend gereizt und zeigte auf einen weiteren grauen Kasten mit buntem Bildschirm.”
“Ein Beatmungsgerät?”, fragte Goldlöckchen leise.
“Genau, ein Beatmungsgerät. Hängt am Patienten, nicht wahr?” Zögerliches Nicken. “Woran genau?” Irritierte Blicke. “Was ist das da am Hals?”, rief ich und fuchtelte dabei vor meinem eigenen Hals herum.
“Tracheostoma?”, fragte Goldlöckchen.
“Tatsächlich? Also, wenn das ein Tracheostoma ist und der Kasten ein Beatmungsgerät, welches Organ betrachten wir also?”
“Lunge.”, sagte Goldkettchen schließlich.
Theatralisch warf ich die Arme zum Himmel. “Na endlich! Lunge! Hätte man eigentlich wissen können!” Dann dozierte ich eine Weile über die verschiedenen Beatmungsformen. “Und was hat die Lunge? Kann man auch sehen!” Wieder unbequemes Schweigen. “PiCCO? Hämodynamisches Monitoring?” Ich fuchtelte jetzt mit der Hand vor dem nächsten Monitor. “Na? ELWI hoch, PVPI hoch? Was sagt uns das wahrscheinlich???” Energisch tippte ich auf den Monitor und die entsprechenden Werte. Keine Antwort von den Zuschauerrängen. “Lungenentzündung!”, gab ich die Antwort selbst. “Hätte man eigentlich wissen können.” Ich blickte auf meine Uhr. Ich würde das schnell beenden können. Da erdreistete sich Goldkettchen tatsächlich noch, eine Frage zu stellen. “Was ist denn eigentlich die Grunderkrankung des Patienten?”, fragte er ganz unschuldig. Ich öffnete meinen Mund und schloss ihn dann schnell wieder. Grunderkrankung? Ich dachte angestrengt nach. Wiederaufnahme wegen Platzbauch… das wusste ich, aber was war denn gleich die Grunderkrankung? Irgendwas war operiert worden, aber was? Ich blickte hektisch umher. Es gab ein paar Drainagen, aber sie förderten nichts Interessantes. Ein Vacuseal-Verband, aber auch der förderte kein richtungsweisendes Sekret. Was war es also nochmal? Hemicolectomie? PPPD? Whipple? Ich hyperventilierte leicht. Die Grunderkrankung… Mist, Mist Mist!
“Äh, äh…”, stammelte ich. “Also ich… äh… ist operiert worden…”
“Ach?”, sagte Goldlöckchen.
Mit zitternder Hand drehte ich schnell die Patientenkurve an und sah auf das Aufnahmeblatt. Da stand es ja.
“Pancreas-Carcinom!” rief ich erleichtert. “Er hat ein Pankreas-Carcinom und ist gewhipplet worden.” Der Schweiß ließ mir in Strömen die Stirn hinunter.
“Hätte man eigentlich wissen können.” bemerkte Goldkettchen trocken.
Mit hängendem Kopf schlich ich von Station.