Die Fotografin Sabine Faber will mit ihrem Langzeitprojekt „HIV+ – Das Ende der Weiblichkeit?“ zu einer neuen Sicht auf die Sexualität und Erotik HIV-positiver Frauen verhelfen. Von Axel Schock
Seit 28 Jahren lebt Sabine Faber mit HIV und hat im Laufe dieser Zeit die unterschiedlichsten Phasen im Umgang mit der Krankheit durchlebt. Ihr öffentliches Coming-out als HIV-Positive hatte sie anlässlich des Welt-Aids-Tages 2005. Für die vierfache Mutter, die seit Mitte der 90er Jahre in einem Mehrgenerationenprojekt in einem Dorf auf der schwäbischen Alb wohnt, war dies ein wichtiger und auch sehr mutiger Schritt.
Ihr Projekt: ein Kalender mit erotischen Fotografien HIV-positiver Frauen
„Irgendwann aber verstärkten sich die Selbstzweifel, und ich spürte, wie mir mein Selbstbewusstsein im Umgang mit meinem Körper und meiner Sexualität abhanden kam“, erzählt die 48-Jährige. Und sie wusste, dass sie mit dieser Erfahrung nicht alleine ist. „Ich kannte eine Menge positiver Frauen, die alle hübsch anzuschauen waren, und trotzdem hatten sie das gleiche Problem. Sie fühlten sich nicht mehr attraktiv und begehrenswert und hatten die Hoffnung auf gelebte und erfüllte Sexualität für sich schon aufgegeben.“
1998 entschloss sich Sabine Faber deshalb kurzerhand, diesen Frauen mit Hilfe ihrer Kamera das Gegenteil zu beweisen. Ihre Idee: ein Kalender mit erotischen Fotografien HIV-positiver Frauen. Erscheinen sollte er zur Jahrtausendwende. Doch die Realisierung ihres „Millenniumsprojektes“ gestaltete sich schwieriger als gedacht, denn nur wenige positive Frauen erklärten sich zunächst bereit, sich für das Kalenderprojekt fotografieren zu lassen.
Vielen Frauen fehlte der Mut, sich über Fotografien als HIV-positiv zu outen
Das Problem war dabei weniger, dass sie mehr oder weniger nackt posieren sollten. Den meisten fehlte der Mut, sich über diese Fotografien als HIV-positiv zu outen. Immer wieder kam es vor, dass zunächst sehr interessierte Frauen kurzfristig einen Rückzieher machten. „In solchen eher frustrierenden Phasen habe ich zum Glück immer wieder große Unterstützung durch meinen Partner erfahren, der mich zum Weitermachen ermutigte“, erzählt Sabine Faber. Und nach und nach ergaben sich dann doch immer wieder neue Aufnahmen.
Wenn die porträtierten Frauen wünschten, dass ihr Gesicht auf den Fotos nicht zu sehen sein sollte, fand Sabine Faber stets passende Körperpositionen und Bildausschnitte – die eine wirft sich in aufreizendem Latex-Outfit in Pose, die andere wird als liegender Frauentorso auf einer Waldlichtung inszeniert.
Seit einigen Jahren erlebt die Fotografin eine wachsende Offenheit bei den Frauen, die sie für ihr Fotoprojekt anspricht. Zurückzuführen ist dies ihrer Erfahrung nach unter anderem auf die neue Generation von HIV-Medikamenten. Die therapiebedingte Fettumverteilung habe viele Frauen stark belastet und davon abgehalten, ihren Körper vor der Kamera zu präsentieren.
Ihre Modelle – das bisher jüngste war 15, das älteste Mitte 50 – stammen aus dem ganzen Bundesgebiet, von Baden-Württemberg bis Berlin. Angesprochen hat Sabine Faber sie beispielsweise auf Positiventreffen und bei der Konferenz „Positive Begegnungen“.
Ich möchte die Frauen auf den Fotos so authentisch wie möglich erscheinen lassen
Als ideal haben sich für die Fotografin die Familienfreizeiten der baden-württembergischen Selbsthilfegruppe „Aids und Kinder“ herausgestellt. In der entspannten Urlaubsatmosphäre und in der ländlichen Idylle findet Sabine Faber stets passende Locations für ihre Fotosessions.
„Die Shootings machen den Frauen immer sehr viel Spaß“, sagt die Fotografin. „Ich möchte sie auf den Fotos so authentisch wie möglich erscheinen lassen.“ Mindestens so aufregend wie die Erlebnisse der Fotosessions ist für die Hobbymodels natürlich das fertige Ergebnis. „Sie sind immer total begeistert“, sagt Sabine Faber nicht ohne Stolz.
Für die meisten der Fotografierten sind die Bilder tatsächlich eine Überraschung: Die Kamera als objektive Instanz beweist ihnen, dass sie auch mit dem Virus weiterhin sexuelle attraktive Frauen sind, die stolz auf ihre Weiblichkeit, ihre erotische Ausstrahlung und ihre Schönheit sein können.
Derzeit zeigt Sabine Faber ihre Porträts auf Einladung der Weimarer Aidshilfe in der Weimarer Galerie „Markt 21“. Sie hofft, ihre Ausstellung bald auch in anderen Städten präsentieren zu können.„Ich möchte damit auch explizit positive Frauen ansprechen und weg von diesen Bildern, wie wir sie in den 90er Jahren etwa durch die Benetton-Werbung oder auch heute noch durch die Michael-Stich-Stiftung kennen. Sterben und Elend ist für mich eine falsche Message. Dies ist ein Bild von HIV und Aids, das so nicht stimmt und so auch nie gestimmt hat“.
Wie sehr sie mit ihren Bildern positive Frauen bewegt und ermutigt, hat sich bei der Eröffnung ihrer Weimarer Ausstellung gezeigt. Eine 65-jährige Besucherin hat sich spontan bereit erklärt, demnächst für Sabine Faber Modell zu stehen.
Sabine Fabers Ausstellung „HIV+ – Das Ende der Weiblichkeit?“ in der Weimarer Galerie „Markt 21“ ist noch bis zum 19. Januar 2012 zu sehen.