So ein Schlingel!

Völlig aufgebracht kommt Jenny in die Küche.
„Sowas macht der nicht nochmal!“ sagt sie, „nicht mit mir!“
Ich bin gerade dabei, mein Brötchen dick mit Schwester Paulas selbstemachter Brombeermarmelade zu bestreichen.
„Was ist denn los, Jenny?“ frage ich deeskalierend und versuche dabei, mein souveränstes vertrau-mir-ich-bin-Arzt-Lächeln aufzusetzen, aber so richtig gelingt es mir nicht.
„Was denkt der sich dabei, der alte Sack?“ fragt Jenny aufgebracht.
Ich rücke ihr einen Stuhl zurecht. Jenny setzt sich. Schwester Gaby schiebt einen Teller und eine Tasse vor ihren Platz, ich schenke Kaffee ein.
„Jetzt mal mit der Ruhe: Wovon redest Du? Was war los?“
Jenny nimmt sich ein Kürbiskernbrötchen.
„Herr Krumpenstahl…“
„Was ist mit dem?“
Herr Krumpenstahl ist ein rüstiger Rentner, Ende Siebzig, ist vor ein paar Tagen bei Glatteis gestürzt, hat sich dabei eine Unterarmfraktur zugezogen, die von den Chirurgen versorgt worden ist, allerdings wurde dabei ein bislang nicht vorbekanntes Vorhofflimmern entdeckt, und deswegen liegt er jetzt bei uns. Eigentlich ein unkomplizierter, netter Opa… dachte ich zumindest.
„Der hat mich angebaggert!“
„Wie bitte?“
„Ich wollte ihm beim Waschen helfen. Schlage die Bettdecke zurück, und…“
Ich kann mir schon denken, was jetzt kommt.
„Erzähl mir jetzt nicht, dass Du noch nie eine Erektion gesehen hast!“ sage ich.
Jenny wird knallrot.
„…also, bei einem Patienten, meine ich!“ füge ich hinzu, aber Jenny wendet sich demonstrativ von mir ab.
„Es kommt ja noch schlimmer,“ fährt Jenny fort, „Ich bemühe mich also, die Sache zu ignorieren, aber er grinst mich an. ‘Wissen Sie, Schwester’, sagt er, ‘Wenn ich Sie sehe, dann kann ich einfach nicht anders!’“
Jetzt muss ich mich beherrschen. Ich schütze einen Hustenanfall vor.
Fast hätte ich mich an meinem Kaffee verschluckt.
Aber plötzlich muss ich an die gestrige Visite denken, an Herrn Kolbermann von Zimmer fünfzehn… und dann bleibt mir das Lachen im Halse stecken.

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