Wer haftet bei fehlerhaften Brust-Implantaten? Wer zahlt bei einer Entfernung von Brust-Implantaten? – Die Klinik? Der Arzt? Der Hersteller? Der Versicherer?

Momentan machen Berichte über Billig-Brustimplantate der Firma PIP die Runde. Kurz zum Hintergrund: Der Hersteller minderwertiger Silikonimplantate Poly Implant Prothèse (PIP) aus Frankreich hat wohl weltweit bis zu 300.000 – 500.000 Frauen Brust-Implantate eingesetzt. Allein in Deutschland werden jährlich rund 20.000 bis 60.000 schönheitschirugische / plastische Eingriffe vorgenommen, wobei seriöse Angaben schwer zu machen sind, da keine zentrale Erfassungsstelle besteht. Nach ersten Einschätzungen wurden an wenigsten zehn Kliniken (allein) in Baden-Württemberg PIP-Produkte bei Patientinnen eingesetzt. Vermutung legen bundesweit vielleicht 16.000 PIP-Opfer nahe. Die Aufarbeitung, wo und bei wem entsprechende fehlerhafte Implantate eingesetzt wurden, fällt schwer, da jedes einzelne Bundesland allein dafür zuständig ist. Aber selbst hochwertige Implantate weisen ein Risiko, im Laufe der Zeit zu reißen, auf. Bei rund ein Prozent der beobachteten Fälle soll das der Fall sein.

Die medizinische Seite:
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat in Deutschland Frauen daher empfohlen, eine individuelle Risikoabwägung bei ihrem Arzt vornehmen zu lassen, um entscheiden zu können, ob die Implantate entfernt werden sollen oder nicht. Im Kern empfiehlt das Institut eine Entfernung der Brustimplantate.

Die rechtliche Seite:
Der Hersteller PIP ist infolge des Skandals insolvent gegangen. Es handelte sich wohl um ein hochgradig unzulässiges Vorgehen, da das französische Unternehmen PIP die Brustimplantate mit weniger stabilem Silikon gefüllt hatte statt einen medizinischen Kunststoff zu verwenden. Der damalige Versicherer, die Allianz, lehnt eine Haftung für die fehlerhaften Brustimplantate wegen falscher Angaben im Versicherungsvertrag des Versicherten (PIP) grundsätzlich ab.

Bei Brustimplantaten handelt es sich um Medizinprodukte, die anders als die tatsächliche Medizin (Arzneimittel) keinem gesetzlichen Zulassungs- und aufwendigen Genehmigungsverfahren unterliegen, sondern lediglich zertifiziert werden (können). Die Zulassungskriterien für medizinische Produkte insgesamt sind in Deutschland und Europa eher als unübersichtlich einzustufen, teilweise fehlen sie sogar ganz. Hintergrund: Bei jährlich ca. 30.000 neuen Medizinprodukten allein in Europa würden schnell die administrativen Kapazitäten überlastet werden. Im Vergleich hierzu werden jährlich nur 1/1000, also rund 30 neue Arznei-Wirkstoffe zugelassen.

Wer hat die Kosten einer Entfernung der Brustimplantate zu tragen?

Wer sich seine Brustimplantate von PIP entfernen lassen möchte, muß zunächst damit rechnen, die hierfür erforderliche OP selbst zahlen zu müssen. Dem Implantatpaß kann entnommen werden, von welchem Hersteller das Implantat stammt und ob es sich um ein PIP-Produkt handelt. Im Zweifel kann auch die Klinik Auskunft geben, bei der die damalige Operation stattfand.

Aus juristischer Sicht empfiehlt es sich, vor einem Eingriff zu prüfen, wer für die Kosten in Anspruch genommen werden könnte. Wer tatsächlich im einzelnen für die fehlerhaften Brustimplantate hafbar gemacht werden kann, muß jeweils im Einzelfall genau geprüft werden. Als Verantwortliche kommen neben Hersteller und dessen verantwortlicher Führung und der Versicherung noch Händler (z. B. Chemiegroßhändler), Kliniken und Ärzte in Betracht.

Ein zweischneidiges Schwert ist die vielfach zu beobachtende Praxis von Ärzten, ihre Patienten im Falle von Vorkommnissen nach § 2 Nr. 1 MPSV (Verordnung über die Erfassung, Bewertung und Abwehr von Risiken bei Medizinprodukten) schlicht an den Hersteller zu verweisen, anstatt selbst mit dem Patienten eine Lösung zu suchen. Denn neben dem Produkthaftungsanspruch kann auch ein Anspruch gegen den Arzt bestehen. Umgekehrt können Arzt und Patientin gemeinsam ihre Ansprüche gegen Hersteller, Versicherer und andere Verantwortliche (Lieferanten etc.) geltend machen.

Medizinprodukte unterliegen grundsätzlich dem Regime des Produkthaftungsrechts. Wer hier als Arzt beispielsweise selbst Implantate importiert, wird automatisch zum Hersteller im Sinne des Produkthaftungsrechts. Produkthaftungsansprüche sind grundsätzlich verschuldensunabhängig. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, hat die Patientin Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Der Arzt hat aus Kauf- / Werkvertrag Gewährleistungsansprüche gegen den Lieferanten der Implantate. Achtung: Bei Mängelgewährleistungsansprüchen besteht eine kurze Verjährung von zwei Jahren. Zugleich hat der behandelnde Arzt nicht nur Anspruch auf Ersatz des fehlerhaften Produkts, sondern auch auf Erstattung der durch das fehlerhafte Implantat entstandenen Mehrkosten (Zusatzbehandlung etc.).

Übrigens: Lassen Sie am besten prüfen, ob die Krankenkasse die Operationskosten übernimmt. Handelte es sich beispielsweise ursprünglich um eine Krebsbehandlung, wird die Krankenversicherung in der Regel nun auch diese Operationskosten übernehmen. Bei allein ästhetischen Eingriffen wird eine Patientin um eigene Kosten nicht umhinkommen.

Tipp: Patientinnen sollten sich vorab von ihrem Arzt bescheinigen lassen, dass die OP medizinisch gesehen notwendig ist und dann diese Bescheinigung der Krankenkasse mit der Bitte um schriftliche Kostenübernahmebestätigung vorlegen.

Jede Betroffene und jeder betroffene Arzt / Ärztin sollte daher im Vorfeld nicht nur die medizinische Seite, sondern auch – vielleicht sogar gemeinsam – die juristischen Aspekte einer erneuten Brust-OP beleuchten. Gerne helfen wir Ihnen bei den Einzelfragen! Rufen Sie uns einfach an (0 69 – 95 92 91 91-0) oder schreiben Sie uns eine Mail fragen@recht-hilfreich.de. Wir helfen Ihnen gerne!

Ihr

Uwe Martens
Rechtsanwalt

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