Willkommen in der Freien Wirtschaft (Teil 3)

Es ist kurz vor elf Uhr vormittags und ich habe die Visite soeben beendet.
„Guten Morgen Herr Doktor Armschlag,“ sagt die freundliche Stimme am Telefon, „hätten Sie kurz Zeit für mich?“
„Äh ja… worum geht’s denn?“
„Also, hier ist Medical Controlling. Wir möchten nur kurz…“
Wer bitte sind Sie?“
Medical Controlling. Wir kümmern uns um die Einnahmen und Ausgaben, also wir kontrollieren sozusagen die wirtschaftlichen Abläufe hier im Haus!“
„Äh ja… und was wollen Sie von mir?“
„Nur kurz unsere Daten abgleichen. Hätten Sie einen Moment Zeit?“
Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Also gut…
„Dann fangen wir mal an. Schmidt, Eduard, Zimmer Zwohundertdrei. Wann entlassen Sie den?“
„Herrn Schmidt von Zimmer drei? Keine Ahnung, wann der heimgeht…“
„Keine Ahnung? Warum?“
„Weil… äh… die häusliche Versorgung ist doch noch gar nicht geklärt. Der hat bislang immer alleine gelebt. Das wird aber so nicht mehr gehen!“
„Gut. Ich nehme an, der Sozialdienst ist involviert? Bis übermorgen sollten die einen Kurzzeitpflegeplatz gefunden haben. Also Entlassung Übermorgen. Sie sind einverstanden, ja?“
Bleibt mir etwas Anderes übrig?
„…dann kommen wir zu Zimmer zwohundertvier. Meier, Hermine. Was hat die eigentlich?“
„Frau Meier? Äh… die hat Fieber und hohe Entzündugnswerte und hustet sich die Seele aus dem Leib…“
„Eine Pneumonie hat sie aber nicht?“
„Also… im Röntgenbild hat man keine Infiltrate gesehen…“
„Was ist dann Ihre Diagnose?“
„Naja… akute Bronchitis halt…“
„Hat sie eine COPD?“
„Nichts dergleichen bekannt!“
„Also, Herr Armschlag, eine einfache Bronchitis gibt leider kaum etwas her. Wenn sie keine COPD hat, dann muss sie eine Pneumonie haben. Von mir aus eine Bronchopneumonie. Ändern Sie die Diagnose! Reden Sie halt nochmal mit Ihrem Oberarzt!“
Jawoll, wird gemacht. Also das mit dem Oberarzt reden, dann hat der den Schwarzen Peter.
„…Zimmer Zwohundertfünf. Schneider, Egon. Der ist seit fünf Tagen überfällig.“
„Wie bitte?“
„Obere Grenzverweildauer ist überschritten. Wir zahlen drauf. Spätestens morgen wird er entlassen!“
„Wie bitte? In dem Zustand? Der ist doch quasi… präfinal… er kann jeden Moment sterben…“
„Gibt es ein Versorgungsproblem?“
„Nein, er kommt aus dem Pflegeheim!“
„Wo ist dann das Problem? Morgen früh geht er zurück. Vielen Dank, Herr Armschlag, das war’s dann für heute. Frohes Schaffen noch!“

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