Ein Kongress der Bewegung und Beteiligung

VW-Werkgelände

Wolfsburg ist mehr als nur VW. Und im August Schauplatz der "Positiven Begegnungen" (Foto: A. Praefcke)

Rund 350 Menschen werden zu den „Positiven Begegnungen“ (PoBe) vom 23. bis 26. August in Wolfsburg erwartet. Die Vorbereitungen zu Europas größter Selbsthilfekonferenz zum Leben mit HIV/Aids laufen bereits auf Hochtouren. Sie findet alle zwei Jahre statt und wird von der Deutschen AIDS-Hilfe gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Selbsthilfe-Communities veranstaltet. Axel Schock hat Stephan Gellrich und Heike Gronski vom Vorbereitungsteam zu den geplanten Schwerpunktthemen befragt.

Die Vorbereitungsgruppe der „Positiven Begegnungen 2012“ hat bereits einige Male getagt. Welche zentralen Programmpunkte haben sich bisher herauskristallisiert?

Heike Gronski: Es wird über Kriminalisierung der HIV-Übertragung, die moralischen wie juristischen Aspekte und unsere Haltung als positive Menschen zum Thema zu diskutieren sein. Ich denke, dass hier ein großer Bedarf zur Auseinandersetzung besteht und uns auch reichlich Sprengstoff erwartet.

Stephan Gellrich: Ein wichtiges Thema wird außerdem HIV und Arbeit sein. Wenn wir schon in der Autostadt Wolfsburg sind, wollen wir versuchen, Volkswagen in die Diskussion einzubinden. Das Unternehmen ist mit seinen rund 60.000 Beschäftigen nun mal direkt vor Ort und immerhin einer der größten Arbeitgeber des Landes.

Zentrales Kongressthema: Neuaufstellung der Selbsthilfe

Heike Gronski: Das zentrale Thema und die große Herausforderung dieser „Positiven Begegnungen“ wird allerdings eine Neuaufstellung der Selbsthilfe mit dem Ziel einer breiten Einbindung von Positiven in eine aktive Interessenvertretung sein.

Worum geht es dabei genau?

Stephan Gellrich: Wir sind der Meinung, dass die bestehenden Strukturen zu zerfranst und nicht mehr effektiv genug sind. Wir wollen daher anbieten, diese Konferenz zu nutzen, um gemeinsam neue Strukturvorschläge zu entwickeln. Es geht uns darum, mehr Beteiligung und Interessenvertretung zu erreichen, gemäß dem Motto „Selbstvertretung vor Stellvertretung“. Die Kernfrage lautet: Wie kann sich positive Selbsthilfe besser und effektiver auf Bundesebene einbringen? Ziel ist es letztlich, eine zeitgemäße Partizipation von Selbsthilfe hinzubekommen. Denn was wir jetzt haben, ist unserer Ansicht nach in vielen Aspekten zu verkrustet, und es bewegt sich zu wenig. Nach 20 Jahren kann ein bisschen frischer Wind auch mal ganz gut tun und vielleicht auch dazu führen, dass einige Menschen wieder mehr oder überhaupt erst Lust bekommen, sich in der Selbsthilfe zu engagieren.

Es muss möglich sein, alte Strukturen auf den Prüfstand zu stellen

Es kann also durchaus  passieren, dass es in Wolfsburg ein bisschen rumst.

Stephan Gellrich: Das kann in der Tat sein, das macht aber nichts. Es geht nicht darum, eine Kuschelveranstaltung zu machen, sondern darum, dass ernsthafte Auseinandersetzungen zu den Themen stattfinden und dass die Teilnehmer ihre Interessen formulieren und adressieren. Und es muss dabei auch möglich sein, alte Strukturen auf den Prüfstand zu stellen. Es sollen also „Positive Begegnungen“ der Bewegung und der Beteiligung werden.

Heike Gronski: Die PoBe war in der Vergangenheit stets eine große und wichtige Veranstaltung, ich möchte dem Kongress künftig aber gern zentrale Bedeutung geben. Der nächste logische Arbeitsschritt lautet daher für mich: Wie können wir die Energie effektiv nutzen, die während dieser vier Tage entsteht, in denen sich so viele Menschen mit ihrer Lebenssituation und ihrer politisch-gesellschaftlichen Situation auseinandersetzen? Wie schaffen wir es, daraus vernetzende Elemente zu kreieren und diese Kraft bis zur nächsten Veranstaltung weiterzutragen?

„Immerhin ist dies die größte Positivenkonferenz Europas“

Stefan Gellrich: Wir wollen erreichen, dass die Aufträge und Aufgaben, die in Wolfsburg erarbeitet werden, nach Ende der Veranstaltung nicht gleich wieder vergessen sind. Vielmehr sollen sie tatsächlich auch über das Treffen hinaus weiterverfolgt und in die Verbandsarbeit der Aidshilfen einbezogen werden.  Wir hoffen, die „Positiven Begegnungen“ auf diese Weise als Forum für Menschen mit HIV und Aids stärken zu können. Immerhin ist dies die größte Positivenkonferenz Europas.

Positive Begegnungen 2012

Ist diese Haltung eine Folge der Kritik nach den letzten „Positiven Begegnungen“?

Stephan Gellrich: Immer wieder wurde moniert, dass aus den Arbeitsergebnissen nach Abschluss des Kongresses nicht viel mehr passiert, als dass sie in einer Broschüre zusammengefasst werden. Diese Kritik wurde sowohl von Teilnehmer- und Verbandsseite wie auch aus den Reihen der Positivenselbsthilfe geäußert.

Wie werden sich die Veranstaltungen in Wolfsburg von denen der früheren Kongresse unterscheiden?

Stephan Gellrich: Wir wollen das Programm etwas interessanter gestalten, indem wir nicht nur Workshops organisieren, bei denen oben auf dem Podium Menschen sitzen und reden und unten die anderen zuhören. Es geht weniger darum, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern etwas zum Konsum anzubieten. Vielmehr sollen sie Gelegenheit bekommen, sich zu bestimmten Themen Meinungen zu bilden und auch zu formulieren. Wir hoffen, dass wir so zu einer Kontroverse kommen, in der die unterschiedlichen Standpunkte lebendig und vielleicht auch mal heiß diskutiert werden.

Wir dürfen uns also auf sehr ernsthafte und sehr politische Debatten freuen.

Stephan Gellrich: Das Spaßprogramm gibt es drumherum und im Rahmenprogramm am Abend. Dazu gehört selbstverständlich auch „Lauras Café“, für das wir bereits sehr schöne Räumlichkeiten gefunden haben. Geplant ist auch wieder ein Filmprojekt, das wir hoffentlich realisiert bekommen.

Die Ergebnisse des Projekts „positive stimmen“ werden erstmals präsentiert

Und worauf freut ihr euch besonders?

Heike Gronski: Bis zum Treffen wird das Projekt „positiven stimmen – Leben mit HIV und Stigmatisierung“ abgeschlossen sein, und in Wolfsburg werden erstmals die Ergebnisse präsentiert. Wir werden dann auch darüber diskutieren können, wie mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen weitergearbeitet werden kann. Durch dieses Projekt haben sich so viele Menschen mit dem Thema Stigmatisierung auseinandergesetzt: Diese Energie müssen wir nun sinnvoll einsetzen, um an diesem Thema dranzubleiben.

Wie schnell muss ich mich nun anmelden, um noch einen Platz in Wolfsburg zu ergattern?

Stephan Gellrich: Noch besteht kein Grund zur Panik. Derzeit können sich nur Berufstätige anmelden, wenn ihre betriebliche Urlaubsplanung dies erfordert. Die reguläre Ausschreibung wird es nach unserem nächsten Vorbereitungstreffen Anfang April geben. Bis dahin wird dann auch das Kongressprogramm fertig vorliegen.

Weitere Infos zu den „Positiven Begegnungen“ bei aidshilfe.de


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