Entlastung in der Pflege – woran es scheitert

Über eine Million Menschen werden in Deutschland zuhause von ihren Angehörigen gepflegt. Der Wunsch, im Alter und/oder bei Krankheit in gewohnter Umgebung zu bleiben, kann für die Pflegenden eine erfüllende, aber auch kräftezehrende (Lebens)Aufgabe sein.

Der Staat sieht vor, dass Privatpersonen für ihre eigene physische und psychische Gesundheit vorübergehend Unterstützung bekommen können und stellt Gelder für diese Hilfsangebote zur Verfügung. Während dieser Überbrückungsphase übernehmen die alltäglichen Jobs in der Altenpflege professionelle, ambulante Dienste oder Pflegeeinrichtungen.

So weit, so gut. Das Problem: Nur jeder Vierte weiß von der geförderten Entlastung und nutzt diese staatlichen Gelder für die Kurzzeit- und Verhinderungspflege!

Stefan Görres, Leiter des Instituts für Public Health und Pflegeforschung an der Universität Bremen bringt im Interview mit der Frankfurter Rundschau die Situation auf den Punkt: „Es reicht nicht, einfach nur Geld bereitzustellen. Die Angebote zur Entlastung von pflegenden Angehörigen müssen auch einfach nutzbar sein!“

Verbesserungen für die umfassende Unterstützung von pflegenden Angehörigen ist auch im Nachbarland Schweiz ein Thema. Dort wurde der 4. März 2012 vom gleichnamigen Verein zum „Tag der Kranken“ ernannt.

Unter dem Motto „Beruf und Pflege – Wie schaffe ich bloß beides?“ möchten an die 20 Verbände das Engagement der Angehörigen stärker in die Öffentlichkeit bringen und sich für finanzielle, personelle und organisatorische Rahmenbedingungen von gesetzlicher Seite stark machen.

Die Forderungen des Vereins zur Unterstützung in der Pflege sind auch in Deutschland relevant: Die Angehörigen sollen über die Möglichkeiten und Grenzen der Hilfsangebote informiert werden. Das reicht von Beratungsgesprächen über Infotage bis hin zu Tipps für das „Lesen“ der Profile des Pflegepersonals: Die Formulierung „Pflegefachkraft“ als Stellenangebot stellt beispielsweise nur eine erste gesetzliche Einordnung dar, was die Qualifikation anbelangt.

Häufig interessieren sich Privatpersonen aber für eine sehr konkrete Form der professionellen Pflegeunterstützung. Daher sollten Zusatzausbildungen in Inseraten bereits verständlich formuliert und konkretisiert sein, Stichwort Gerontopsychiatrie bei dementen oder Palliativpflege bei unheilbar erkrankten Patienten.

Unternehmer und Personalverantwortliche müssten zudem angesichts des demografischen Wandels die betrieblichen Strukturen endlich anpassen, so dass Arbeitsplätze trotz einer Pflegetätigkeit erhalten bleiben können.

Abschließend nimmt sich der Verein „Tag der Kranken“ auch den unterstützenden Pflegefachkräften an. Diese sollten bereits in ihre Ausbildung mehr auf die Situation der erwerbstätig pflegenden Angehörige sensibilisiert werden. Es geht also im Kern darum, den privaten Pflegern und Betreuern ein Stück Sicherheit zu geben. Ein Punkt, der natürlich untrennbar mit der finanziellen Absicherung für die Pfleger und Patienten zusammenhängt.

Zur Veranschaulichung der Lage in Deutschland: Im Jahr 2010 hätten Privatpersonen Leistungen von bis zu drei Milliarden für die temporäre Übernahme der Pflege in Anspruch nehmen können. De facto wurden „nur“ 740 Millionen aus dem Topf genutzt! Zahlen die belegen, dass die staatlich geförderten Hilfsangebote in der Praxis scheitern.

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