Herr Eipeldauer hat mich auf dem Flur abgefangen.
“Wie geht’s meiner Frau?” fragt er.
Wie es seiner Frau geht?
Schlecht wäre untertrieben. Sauhundsmiserabel wäre ein besserer Ausdruck. Eigentlich rechnen wir täglich mit ihrem Ableben. Seit über einer Woche schon. Aber sie will nicht. Sie hält sich hartnäckig.
“Unverändert!” sage ich und bemühe mich, betont optimistisch zu klingen.
“Wird schon wieder!” will ich hinzufügen, obwohl ich genau weiß, dass da gar nichts mehr wird, und so lasse ich es auch lieber sein.
Herr Eipeldauer nickt und trippelt ein paar Schritte weiter. So einfach fällt ihm das Trippeln auch nicht mehr, immerhin muss er auch schon an die neunzig sein, wenn man das Geburtsdatum seiner Frau als Maßstab nimmt. Aber geistig topfit. Nix mit Demenz, keine Ahnung, wie er das geschafft hat.
Herr Eipeldauer trippelt den Gang entlang und kurz vor der Tür des Zimmers, welches er gemeinsam mit seiner Frau bewohnt – wir haben ihn gnädigerweise als Begleitperson mit aufgenommen – kurz vor der Zimmertür also, da hält er noch einmal inne und dreht sich um.
“Ich weiß schon Bescheid!” sagt er und nickt nochmals, “Ich weiß Bescheid, Herr Doktor, Sie brauchen mir nichts mehr zu sagen!”
Was soll ich darauf antworten?
Manchmal sollte man lieber schweigen.
“Wissen Sie, Herr Doktor,” fährt Herr Eipeldauer fort, “wir sind jetzt seit fünfundsechzig Jahren verheiratet!”
Er schaut mich an.
“Fünfundsechzig Jahre, Herr Doktor! Und damals habe ich ihr versprochen, dass ich bei ihr bleiben werde. In guten wie in schlechten Tagen. Die guten Tage hatten wir gehabt. Und jetzt wünsche ich mir nur, dass ich noch eine halbe Stunde leben darf, wenn sie die Augen schließt. Nur damit ich weiß, wohin sie geht!”
Sagts und schließt die Tür hinter sich.
Und ich bleibe stehen und sage gar nichts.
War heute nicht Valentinstag?