Wessen Interessen vertritt ein Vertragsarzt: die der Krankenkassen oder die der Patienten? Jeder Patient erwartet, dass der Arzt vor allem ihm hilft. Der Große Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) entscheidet das demnächst womöglich anders. Danach ist der Vertragsarzt Beauftragter der Krankenkassen und eventuell sogar Amtsträger. Das hätte erdrutschartige Folgen.
Nimmt ein Vertragsarzt eine „Zuweiserprämie“ an, verstößt er jetzt schon gegen Berufs-, Vertragsarzt-und Wettbewerbsrecht. Ist der Vertragsarzt nach BGH-Ansicht Beauftragter der Krankenkassen, kann er obendrein wegen Bestechlichkeit bestraft werden. Doch die BGH-Entscheidung wäre widersprüchlich: Erhält ein Vertragsarzt unzulässige Zuwendungen, macht er sich strafbar, ein Privatarzt dagegen nicht.
Sind Vertragsärzte darüber hinaus Amtsträger, sind sie aus strafrechtlicher Sicht beamteten Ärzten in Krankenhäusern gleichgestellt. Ist die Krankenkasse dann auch Dienstherr, bei dem sie höhere Honorare einklagen können, wenn die Vergütung für die Praxis nicht ausreicht?