Wir dachten, er habe sich unter der Dusche, die schon fast eine Stunde rauschte, die Pulsadern aufgeschnitten, denn er war schwer depressiv und Alkoholiker. Ich, der "Last Man Standing", der, der als letztes noch stehenblieb, wenn alle anderen schon ohnmächtig geworden waren, schloß von außen auf, holte tief Luft in Erwartung einer ziemlichen Sauerei und linste um die Ecke.
Ich sah nur seinen Unterleib, an welchem er eine respektable Erektion bearbeitete. Ich zog mich leise zurück und verschloß die Tür. Die Kollegin war ein wenig geschockt, daß ich ihn hatte weitermachen lassen. Aber warum nicht? Solange nachher alles sauber ist….
Das war ca. 1998. Sexualität war in der Pflege kaum ein Thema, es bedeutete vor allem, individuelles Schamgefühl zu respektieren. So wurden die einen rot und die anderen grinsten, wenn der Greis beim Waschen des Schniedelwutzes einen Steifen bekam oder die uralte Dame mit dem Becken zu kreisen begann oder man mal wieder jemanden beim Onanieren störte. Doch daß auch Alte, Behinderte und Kranke derartige Bedürfnisse haben können wurde immer ausgeblendet. Fehlt hierfür doch die nötige Intimsphäre. Mag sein, daß mir in der Klinik nicht möglich ist, dieses Problem zu lösen- Für Heime gibt es durchaus Ansätze. Doch wenn sich das schon nicht lösen läßt, sollten wir es wenigstens respektieren.
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