Alles eine Frage des Standpunktes

Tief Luftholen. Einatmen. Ausatmen. Anklopfen.
Und dann ein Strahlendes Lächeln aufgesetzt.
Türklinke gedrückt und rein ins Zimmer.
“Einen wunderschönen guten Morgen!”
Herr Stroppke antwortet nicht. Stattdessen dreht er seinen Kopf in Richtung Wand. Auf dem Stühlchen neben dem Krankenbett sitzt jemand. Dieser Jemand wirft mir einen genervten Blick zu, aber mein Lächeln wird noch strahlender, denn bei besagtem Jemand handelt es sich um niemanden anderes als Jenny.
“…ist doch wirklich ein wunderschöner Morgen heute, nicht wahr, Herr Stroppke?”
Ich trete näher, fasse seine Hand und Herr Stroppke antwortet immer noch nicht.
“Wie geht’s Ihnen denn, Herr Stroppke?”
“Schlecht!”
“…dem geht’s doch immer schlecht!” zischt Jenny mir zu.
“…ja, das freut mich doch, Herr Stroppke, zu hören, dass es Ihnen schon besser geht!”
“Nein!” grummelt Herr Stroppke.
“Doch!” sage ich.
Jenny bemüht sich sichtlich um einen betroffenen Gesichtsausdruck.
“Mir geht’s aber schlecht!”
“Ja sehen Sie, Herr Stroppke, wie ist es Ihnen denn gestern gegangen?”
“Beschissen!”
“Eben, Herr Stroppke, gestern beschissen und heute nur noch schlecht, das ist doch ein Fortschritt, nicht wahr!”
“Hmmm.”
“Was hmmm?”
“Krieg ich meine Tabletten?”
“Aber natürlich, Herr Stroppke, die Schwester hat sie Ihnen gerade gebracht, und in Gegenwart von so einer schönen Frau…”
Jenny wird noch nicht einmal rot.
“…in Gegenwart von so einer schönen Frau, da macht das Leben doch gleich wieder richtig Spaß, meinen Sie nicht, Herr Stroppke?”
Entdecke ich da etwa den Anflug eines Lächelns auf seinen Lippen? Er bemüht sich hartnäckig, selbiges zu verkneifen, aber es gelingt ihm nicht ganz.
“Erzählen Sie mir doch mal einen Witz, Herr Stroppke!”
“Kenn keinen!”
“Dann erzähle ich Ihnen einen. Also. Kommt ein Mann zum Arzt….”
“Nein!”
“Warum nicht?”
“Dann muss ich lachen.”
“Na und?”
“Tut mir der Bauch weh.”
“Sehen Sie, dann wird Ihnen die Schwester gleich ein paar Schmerztropfen bringen und Sie haben einen weiteren Grund um die Anwesenheit dieser bezaubernden jungen Frau noch einmal genießen zu dürfen!”
Jenny hält sich die Hand vor den Mund.
“Aber jetzt darf ich Ihnen diese Dame einen Moment lang entführen, Herr Stroppke, Sie wissen schon…”
Ich nicke Jenny zu, bewege mich in Richtung Tür und zwinkere ihm noch einmal verschwörerisch zu.
Er zwinkert zurück.

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