Anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie am 17.5. haben wir Politikerinnen und Politiker zur Situation in Osteuropa befragt. Wir erhielten zwei Antworten: von Volker Beck (MdB, Grüne) sowie Ulrike Lunacek, österreichische Abgeordnete der Grünen im Europaparlament, deren Antwort wir hier dokumentieren.
Frau Lunacek, was ist Ihre persönliche Wahrnehmung und Einschätzung der Lage in den osteuropäischen Ländern?
In ganz Europa, Ost und West, bleibt viel zu tun für die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen. Als eine der beiden Vorsitzenden der LGBT Intergroup des Europäischen Parlaments, eines Zusammenschlusses von lesbischen, schwulen wie heterosexuellen Abgeordneten, beobachte ich die Entwicklungen in Europa natürlich ganz genau. Dabei bietet sich mir eher ein Bild von Erfolgen und Rückschlägen in Wechsel, als eine lineare Entwicklung. Die Situation in den einzelnen Ländern ist dabei sehr unterschiedlich.
Welche Situationen nehmen Sie als Fortschritt wahr?
Denken Sie an Polen, wo nach der anti-europäischen und nationalkonservativen Kaczynski-Ära nun erstmals mit Robert Biedron ein offen schwuler und mit Anna Grodzka eine transsexuelle Abgeordnete ins Parlament eingezogen sind. Die rechtsliberale Regierung unter Premier Tusk ist bereit, sowohl über ein Gesetz für Eingetragene PartnerInnenschaften wie ein Transgendergesetz zu diskutieren. Zu letzterem fand vor kurzem in Warschau eine öffentliche Debatte von TransFuzja und der Heinrich-Böll-Stiftung statt, bei der sich Staatssekretärin Agnieszka Koslowska-Rajewicz unterstützend äußerte. Das sind zweifelsohne positive Entwicklungen. Oder in Montenegro, wo es nun einen Antidiskriminierungsbeauftragten der Regierung gibt, auch zuständig für sexuelle Orientierung, und im März eine LGBT-Regierungskonferenz stattfand unter dem Titel „Zusammen gegen Diskriminierung“, mit dem montenegrinischen Premier und der kroatischen Vize-Premierministerin, dem kosovarischen Justizminister und einem hochrangigen serbischen Regierungsvertreter.
Was erleben Sie als besonders negativ?
Anders sieht es derzeit leider im EU-Mitgliedsland Ungarn aus. Premier Viktor Orbán hat sich zu einem rechtskonservativen Nationalisten mit autokratischen Tendenzen entwickelt. Bei der umstrittenen Verfassungsreform hat es Verschlechterungen gegeben – etwa die Verankerung von Ehe als heterosexuelles Privileg. Die rechtsextreme Jobbik-Partei schürt den Hass gegen Minderheiten wie Roma, JüdInnen und LGBT-Personen. Ihre Gesetzesanträge für ein Verbot von, wie sie es nennen, „Propaganda für abweichendes sexuelles Verhalten“, liegen im Parlament. Die Budapester Pride Parade im Juli 2012 wurde zuerst von der Polizei untersagt, das Verbot schließlich vom zuständigen Gericht wieder aufgehoben. Und die Eurogames, die vor der Pride-Parade heuer in Budapest stattfinden, erhalten von der Stadt null Unterstützung – das gab es bisher noch nirgendwo.
Was kann die Bundesrepublik tun und was ist bereits getan worden, um die Lage von LGBT in osteuropäischen Ländern zu verbessern?
Mit einem offen schwulen Außenminister und einem offen schwulen Bürgermeister der Hauptstadt könnte Deutschland eine Vorreiterrolle in seinen Bundes- wie städtischen Außenbeziehungen zur Verbesserung der Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender einnehmen, denn neben gesetzlichen Verbesserungen ist unsere Sichtbarkeit ein ganz wichtiger Faktor, damit LGBT-Personen Mut fassen, sich offener und offensiver für ihre Rechte einzusetzen. Bei einem europäischen Thema führt Deutschland leider die Liste jener an, die blockieren: Das schwarz-gelbe Koalitionsabkommen sieht die Nicht-Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie vor (meinen Informationen nach nicht wegen sexueller Orientierung sondern wegen der Kosten für behindertengerechtes Bauen), die Diskriminierungsschutz für zahlreiche Gruppen über den Bereich von Beschäftigung und Beruf hinausgehend vorsieht. Sie wurde von der Europäischen Kommission vorgelegt, vom Europäischen Parlament verbessert und beschlossen, wird aber schon seit 2009 (!) vom Rat, also den Regierungen der Mitgliedsstaaten, blockiert. Als ich Außenminister Westerwelle vor der Eröffnung der GayGames 2010 in Köln darauf ansprach, als er uns SportlerInnen vor dem Einmarsch ins Stadion besuchte, meinte er nur, hier sei kein Platz für Parteipolitik … Da hatte er wohl den Sinn der GayGames, nämlich auch antidiskriminierend zu wirken, missverstanden. Schade!
Ulrike Lunacek ist Mitglied des Europäischen Parlaments aus Österreich, außenpolitische Sprecherin der Grünen/EFA und Vorsitzende der LGBT Intergroup des Europäischen Parlaments