Der 15. Mai ist der Internationale Tag der Familie. Wir veröffentlichen aus diesem Anlass ein Interview mit Thomas (39) aus Leipzig. Thomas hat vor anderthalb Jahren erfahren, dass er positiv ist. Zwar hat er seine Arbeit als Maler deswegen verloren und ist berufsunfähig. Aber seit ein paar Wochen hat das Leben für den Botschafter der Welt-Aids-Tags-Kampagne „positiv zusammen leben“ einen ganz neuen Sinn: Am 1. April wurde sein Sohn Chris-Maurice geboren – ohne HIV und gesund. Kriss Rudolph sprach mit Thomas über Vaterglück, Elternzeit und Windelwechseln.
Thomas, alles Gute zur Geburt deines Sohnes! Wie fühlst du dich als Vater?
Vielen Dank! Ach, es ist schön, wenn der Kleine lacht und grinst, einfach so aus dem Nichts heraus. Es sind so kleine Sachen, über die ich mich freue. Es ist schön, wenn er auf meinem Bauch liegt, mit seinem Bauch, und schläft – das erfüllt einen mit Freude. Er ist rundum gesund, isst viel, rülpst und pupst. Er ist jetzt auch kein Schreikind und schläft nachts durch. Wir sind sehr zufrieden und glücklich.
Auch wenn du vorher wusstest, dass dein Kind nicht HIV haben würde – hattest du trotzdem Angst?
So was wie Kinder kriegen war nach der HIV-Diagnose in ganz weiter Ferne
Na ja, ein Restrisiko gab es ja schon. Die Gefahr der Ansteckung war fast ausgeschlossen, aber eben doch vorhanden, wenn auch gering. Das hat die Vorfreude schon ein bisschen getrübt. Ich habe zwar nicht die ganze Zeit deswegen gegrübelt, aber immer, wenn ich meine Medikamente geholt habe, wieder drüber nachgedacht. Nach seiner Geburt wurden dann direkt die Blutwerte genommen, gleich vom Nabelschnurblut, und nach zwei Tagen stand fest: Der Junge ist gesund.
Wie ist das zu erklären?
Zum einen ist ja meine Freundin nach wie vor negativ. Und wenn sie HIV gehabt hätte, hätte sie HIV-Medikamente genommen, damit das Kind während der Schwangerschaft nicht angesteckt wird. Außerdem war die Virenmenge in meinem Blut zu gering, um eine Infektion hervorzurufen.
Hättest du dir das vorstellen können, als du erfahren hast, dass du HIV hast? Dass du das noch erleben wirst?
Wenn mir nach der Diagnose jemand gesagt hätte, ich würde irgendwann Vater werden, von einem gesunden Kind – den hätte ich für total verrückt gehalten! So was wie Kinderkriegen war da in ganz weiter Ferne. Aber dann sagte der Arzt letztes Jahr: Wenn ihr mal ein Kind haben wollt, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, wegen meiner guten Werte. Dadurch kam für uns der Impuls. Sonst hätte man ja eventuell auch über künstliche Befruchtung nachdenken können. Aber ich hatte dann auch gute Gespräche mit der Aidshilfe, das hat mir Mut gemacht – und so kam die Entscheidung zustande. Man weiß ja nicht, was in zwei oder drei Jahren ist. Gerade auch, was meine Werte betrifft.
Warst du bei der Geburt dabei?
Ja, ich saß daneben. Eine Stunde und 45 Minuten waren wir im Kreißsaal. Meine Freundin musste sich also nicht sehr lange quälen. Die Hebamme war auch sehr zufrieden, und ich durfte dann die Nabelschnur durchtrennen, meine Freundin wollte das nicht.
Was war das für ein Gefühl, als dein Sohn geboren war?
Chris-Maurice kam um 18 Uhr 01 auf die Welt, und ich war noch bis spät abends im Krankenhaus. Als ich zu Hause war, hatte ich dann soooo ein Mitteilungsbedürfnis. Ich habe ganz viele SMS-Nachrichten verschickt und Bilder – an alle, die ich kenne. Ich war stolz wie Bolle.
Deine Partnerin hat ja bereits einen Sohn. Wie gehst du mit Tim um, wie erklärst du ihm deine Krankheit?
Es gab keine negativen Reaktionen, und jetzt freuen sich alle
Na ja, nach der Plakatkampagne zum Welt-Aids-Tag kannte mich ja hier fast jeder, und auch in Tims Schule lagen Flyer aus. Alle Kinder haben mich dann automatisch damit in Verbindung gebracht, ich wurde von allen nur noch mit Vornamen angesprochen. Der Tim kann meine Krankheit mit seinen sieben Jahren aber noch nicht wirklich einordnen. Ihm ist aber klar, dass ich krank bin. Ich habe ja auch die Aids-Schleife im Nacken tätowiert. Seine Mutter hat ihm erklärt, dass es da um Menschen geht, die krank sind und die Hilfe brauchen. Wenn Tim ein bisschen älter ist und anfängt Fragen zu stellen, beantworte ich die natürlich.
Wie findet es Tim, dass er jetzt einen kleinen Bruder hat?
Der ist auch superstolz und freut sich. Er erzählt immer allen in der Schule, was sein kleiner Bruder so alles macht. Tim wollte auch direkt abends mit ihm spielen, da mussten wir ihn aber erst noch ein bisschen bremsen. Dafür ist Chris-Maurice ja im Moment noch zu klein.
Hatten deine Freunde und die Familie angesichts deiner Krankheit Verständnis für euren Kinderwunsch?
Es gab keine negativen Reaktionen, auch nicht nach dem Motto: Das ist egoistisch oder verantwortungslos. Aber natürlich haben sie gefragt: Wie geht das überhaupt, dass das Kind nicht angesteckt wird? Und ob wir uns das gut überlegt hätten. Jetzt freuen sie sich aber alle.
Wie geht es dir denn gesundheitlich?
Anfang des Jahres haben die Ärzte festgestellt, dass bei mir jetzt das Vollbild der HIV-Erkrankung besteht. Damit ist so eine Art Scheidepunkt erreicht, der Übergang zum Ausbruch von Aids. Da das aber noch ganz am Anfang ist, kann man da mit Medikamenten noch was machen und die Krankheit wieder zurückdrängen. Durch das Virus ist aber mein Magen kaputt und nimmt nicht genügend Nährstoffe auf. Ich kann essen, so viel ich will – ich werde nicht dicker. Schmerzen habe ich aber nicht. Man kann das behandeln, aber dazu müssen die Blutwerte erst wieder in Ordnung sein. Wir haben die Therapie schon umgestellt, ich nehme neue Medikamente. Damit geht es mir besser. Bei der ersten Blutentnahme nach der Umstellung zeigte sich, dass die Zahl der Helferzellen ziemlich gestiegen war. Das ist ein gutes Zeichen.
Wie geht es dir mit dieser Entwicklung?
Ich grübel jetzt nicht ständig oder schreibe mein Testament. Ich lebe so, wie ich lebe, das habe ich vorher auch schon getan. Man muss sich halt disziplinieren, auch wegen der Tabletten, die man regelmäßig einnimmt.
Es sind so kleine Dinge, auf die ich mich freue
Durch deinen Sohn kommst du wahrscheinlich auch nicht viel zum Grübeln.
Nein, dafür ist gar keine Zeit! Der Junge beschäftigt einen rund um die Uhr. Und wenn er einen mit seinen großen Augen anguckt, das ist toll. Das ist Freude genug. Das Schöne ist ja auch: Mit dem kleinen Mann muss man immer mal raus. So hat man mehr Bewegung, kriegt mehr frische Luft. Das tut mir auch gut.
Hast du Pläne oder Träume, was du später mit deinem Sohn machen willst, so was wie Fußballspielen, Drachen steigen lassen und so weiter?
So konkret denke ich nicht darüber nach. Da kommen in den nächsten Monaten so viele Sachen, die ich mit ihm erleben kann: Wenn er anfängt zu krabbeln, wenn er irgendwann von alleine herumläuft oder anfängt zu sprechen. Es sind eher so kleine Dinge, auf die ich mich sehr freue. Ab 29. Mai bin ich auch allein mit ihm, da geht meine Freundin nach dem Mutterschutz wieder arbeiten, und ich mache dann das Elternjahr. Windeln wechseln und seinen Brei anrühren kann ich schon. Wir beide schaffen das schon!