Der Junky in Famulatur – ein Bericht

Vorweg: Die Famulatur ist vorgeschrieben. Ohne sie wird man nicht zum ersten Staatsexamen zugelassen. Sie umfasst 8 Wochen, davon mindestens 4 Wochen in einer öffentlichen Apotheke – der Offizin. Man darf sie nur in 2x 4 Wochen einteilen und nicht in kleinere Häppchen. Außerdem muss sie während der “Vorlesungsfreien Zeit” aka “Semesterferien” abgeleistet werden. 

Mein Therapeut orakelte im Voraus, dass ich selbst mein bester Kunde sei. Ich zügelte mich, wusste ich doch, dass ein blütenweisses Führungszeugniss verlangt wird, wenn ich meine Approbation erhalten will. Doch das war nicht so leicht.

Erstens musste ich einen Praktikumsplatz finden – und da hatte ich doch ein wenig Angst. Ich habe keinen Führerschein (dazu später mehr) und hoffte auf einen Platz bei meiner Stammapotheke. Blöderweise bin ich da Stammkunde von Antidepressiva in nicht gerade kleinen Mengen. Ob man mich trotzdem nimmt? Zittern, Bangen und Angst davor sich vorzustellen.

Bis ich endlich meinen Arsch hochbekommen habe bei dieser Apotheke nachzufragen, waren schon drei Semester vergangen. Ich stand bangend vor dem Chef. Ich verneinte die Frage nach dem Führerschein – Und ich wurde trotzdem genommen! War ich doch zu pessimistisch? Vielleicht gibt es ja noch mehr Famulaten/PTAs/etc die trotz bekannter Vorgeschichte mit Psychopharmaka eingestellt wurden.

Vorallem wenn Patienten ihre alten Medikamente bei uns entsorgen wollten, und dabei sowas wie Benzodiazepine waren – schielte ich doch mehrmals auf die Packung und überlegte. Wär ja mal schön, son bisschen Lorazepam, nicht? Aber nein, das darf nicht sein! Überrascht war ich auch, dass die meisten Benzos (ja, so werden die Benzodiazepine liebevoll abgekürzt) auch ohne das sonnige gelbe Scheinchen (das BTM-Rezept) erhältlich sind, und in großen Mengen gebraucht werden. In der kleinen Dorfapotheke waren dann schonmal 10-20 Schachteln Lorazepam morgens in der Lieferung drin. Was lief mein Speichel..

Die Arzneimittelprüfung stellte mich auch oft auf die Probe – wenn ich das Arzneimittel prüfe – und das als  ”Ohne Befund” angebe – würde es dem delirösen Patienten auffallen wenn dort ein Blister fehlt? Es könnte aber auch passieren, dass Krankenschwestern in einem Altenheim, an das dieses Medikament abgegeben wird, kontrollieren ob alles in Ordnung ist. Und dann? Hafte ich mit meiner Unterschrift das ich diese Charge untersucht habe und keine Mängel festgestellt hab. Also hab ich mir das auch verkniffen.

Ich hoffte immer auf den utopischen Zeitpunkt, an dem mir unbemerkt und nicht nachweisbar etwas in die Kitteltasche gleiten könnte. Etwas schönes, verschreibungspflichtes mit Missbrauchspotential. Nein, das bot sich nicht. Das ganze war mir zu heiß. Eigentlich gut, dass ich widerstehen konnte. Andererseits.. irgendwo bereue ich die “Versuchschancen” die “vergeudet” habe. Weiß ich doch nicht, ob ich nicht vorher zwangsexmatrikuliert werde..

Vielleicht hat man als Pharmazeut, der selbst etwas Arzneimittelmissbrauch betreibt, auch ein besseres Auge dafür, wenn die Patienten Arzneimittel missbrauchen (wollen) und kann vorzeitig intervenieren. Ich würde zumindest aufgrund Missbrauchspotential und nicht nachgewiesener Überlegenheit von Dextrometorphan zu anderen Präperaten explizit Medikamente mit diesem Wirkstoff nicht regulär verkaufen und auf sowas wie Pentoxyverin zurückgreifen.

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