Bericht zur Mitgliederversammlung 2012 der MS-Gesellschaft

Am Samstag 2. Juni 2012 fand in Freiburg die 53. Mitgliederversammlung (MV) der MS-Gesellschaft statt. Gleich vorweg, es gab ein paar wichtige Neuigkeiten und Entscheidungen.

  • Die Direktorin Vera Rentsch hat die MS-Gesellschaft verlassen. Die Nachfolge ist noch offen.
  • Zwei zusätzliche Vorstandsmitglieder aus dem Pflegeumfeld und mit Dienstleistungsgedanken wurden gewählt.
  • Marco Solaris ist zurückgetreten. Kein Nachfolger wurde gefunden und so bleibt die italienischsprachige Vertretung im Vorstand bis 2013 vakant.
  • Die Finanzen sind in Ordnung, obwohl ein Kursverlust von 0.5 Mio. CHF zu verzeichnen war. Dieser Betrag entspricht in etwa gerade den Mitgliederbeiträgen eines Jahres.

Freiburg: RathausFreiburg: Rathaus CC BY-SA © Foto: Roland Zumbühl, 17.07.05, via Wikimedia

Beim Aufstehen hielt sich am Morgen meine Motivation in Grenzen, doch es hat sich gelohnt. Nun eins der Reihe nach.

Ich traf in Fribourg mit dem Zug ein. Im gleichen Bus war auch der aus dem Fernsehen bekannte Meteorologe Alex Rubeli, der ebenfalls an Multiple Sklerose erkrankt ist und an der MV teilnimmt.

Der Präsident Prof. Dr. Christian Hess leitete zum ersten Mal die Mitgliederversammlung. Gleich zu Beginn teilte er mit, dass Vera Rentsch im April die MS-Gesellschaft nach acht Jahren Richtung Landesmuseum verlassen hat. Intrimistisch wird die MS-Gesellschaft durch die Stellvertreterin Patricia Monin geleitet. Sie und ihr Team haben die Mitgliederversammlung vorbereitet. Es ist ihnen gut gelungen.

Gleich zu Beginn hielt die Staatsrätin (= Regierungsrätin) Anne-Claude Demierre auf deutsch und französisch eine Rede. Für mich ist es eindrücklich, dass «mächtige» Leute zur MV kommen. Dies zeigt die Bedeutung der MS-Gesellschaft. Und so lassen sich sicherlich auch immer gute Kontakte knüpfen.

Mir scheint, dass Vera Rentsch relativ schnell gegangen ist. Auch wurde ihre Arbeit nicht gross verdankt oder gewürdigt. Spezielle Informationen habe ich jedoch keine. Dies ist nur mein Eindruck. Die nahtlose intrimistische Übernahme durch Patricia Monin wurde gelobt. Ein Ausschuss des Vorstandes bestehend aus Prof. Hess, Quästor Schmidlin und Patientenvertreter Daniel Schwab sucht nach einem neuen Direktor oder neuen Direktorin. Eventuell werden sie sich durch ein Personalbüro unterstützen lassen. Die MS-Gesellschaft mit über 50 Angestellten und fast 15 Mio. Umsatz entspricht einem Klein- und Mittelunternehmen (KMU) und die Übernahme der Geschäftsleitung setzt gute Führungsqualitäten voraus.

Der Quästor (Kassier) Dr. Alex Schmidlin erläuterte die wichtigsten Informationen zur Jahresrechnung 2011. Er verwies auf die Vollkostenrechnung der MS-Gesellschaft, da diese den besten Überblick über den Einsatz der Mittel gibt (Seite 23 im Jahresbericht 2011). Erwähnt hat er den Kursverlust von 555‘230 Franken bei den Wertschriften. Es wäre interessant zu erfahren, wie dieser zu Stande kam. Dieser Verlust ist grösser als die gesamten Mitgliederbeiträge 2011 von total 516‘350 Franken. Der Kursverlust ist im Jahresbericht auf Seite 17 und 23 Ziffer 32 aufgelistet. Niemand, mich eingenommen, hat gefragt, wie und warum dieser Verlust zu Stande kam.Vollkostenrechnung 2011 der MS-GesellschaftVollkostenrechnung 2011 der MS-Gesellschaft. CC BY-SA Patientensicht

Prof. Hess informierte, dass die angefragte Person aus der italienischsprachigen Schweiz für den Vorstand ihre Kandidatur aus zeitlichen Gründen wieder zurückgezogen hat. Der Vorstandssitz für die italienischsprachige Schweiz bleibt nun bis zur nächsten MV vakant.

Jetzt wird es spannend: Für mich völlig überraschend und nicht direkt traktandiert wurden zwei neue Vorstandsmitglieder zur Wahl gestellt. Diese Vorstandsmitglieder wurden aus dem Regionalgruppenumfeld vorgeschlagen und es wurden 500 Unterschriften für sie beim Vorstand eingereicht.

Der Vorstand schlug vor, diese neuen Mitglieder auf 2013 zu wählen, sie jedoch bereits an den Kommissionssitzungen teilnehmen zu lassen. Die Regionalgruppenkommissionsvertreterin im Vorstand Therese Lüscher stellte engagiert den Antrag, diese neuen Mitglieder direkt in den Vorstand zu wählen. Sie begründete ihren Antrag und den Vorschlag dieser zwei neuen Mitglieder damit, dass der Dienstleistungsgedanke bei der MS-Gesellschaft wieder gestärkt werden soll und sich diese neuen Vorstandsmitglieder für die MS-Betroffenen einsetzen werden. Es scheint also Differenzen bei der Ausrichtung und beim Mitteleinsatz der MS-Gesellschaft zwischen der Forschungsförderung und der Dienstleistung (Pflege und Betreuung von Betroffenen und Angebote für Betroffene) zu geben. Bös gesagt befürchten einige, dass die MS-Gesellschaft zu einem Kässeli für Forschungsprojekte wird. Es wurde über den Antrag Lüscher abgestimmt. Fast einstimmig wurde der sofortigen Aufnahme der neuen Vorstandsmitglieder bei einer allfälligen Wahl zugestimmt.

Prof. Dr. Rebecca SpirigProf. Dr. Rebecca Spirig, Pflegeexpertin

Die Kandidaten stellten sich kurz den Mitgliedern vor. Meine Recherchen zu den Personen:

  • Prof. Dr. Rebecca Spirig ist gelernte Krankenschwester und hat als solche eine akademische Karriere gemacht. Sie ist heute Professorin an der Uni Zürich und der Uni Basel für Pflegewissenschaften. Sie baute das Institut für Pflegewissenschaften an der Uni Basel und danach an der Uni Zürich auf. Lebenslauf und Medienmitteilung Uni ZH
  • Dr. Gilles de Weck von Montreux ist französischsprachig, studierte Chemie an der ETH Zürich und arbeitete in der pharmazeutischen Industrie, unter anderem für Sandoz (heute Novartis), ist pensioniert und engagiert sich als Präsident der Regionalgruppe Vevey stark für MS-Betroffene. LinkedIn Profil

Dr. Gilles de Weck, Chemiker und RegionalgruppenkommissionsvertreterDr. Gilles de Weck, Chemiker und Regionalgruppenkommissionsvertreter; via LinkedIn

Bei mir läuteten bei einer beruflichen Karriere in der pharmazeutischen Industrie alle Glocken. Wird da ein Kuckucksei in den Vorstand gewählt? Wie kann jemand aus der Pharmaindustrie die Interessen von Betroffenen vertreten? Welche Interessen wird er vertreten?

Mir waren diese Fragen überhaupt nicht klar und so streckte ich kurzentschlossen meine Hand und verlangte die Diskussion. Mit einigem Herzklopfen nahm ich das Mikrophon und stellte meine Fragen. Die Antwort: Er arbeitete vor längerer Zeit bei Sandoz und arbeitete nie direkt für Novartis (Hersteller von Fingolimod). Es entstand eine Diskussion unter den Mitgliedern. Man spürte, dass die MS-Gesellschaft lebt. In der Diskussion wurde angeregt, dass Angehörige ebenfalls eine Vertretung im Vorstand wünschen.
Ich hatte nachher die Möglichkeit persönlich mit Gilles de Weck zu reden. Auf mich hat er und seine Motivation einen guten Eindruck hinterlassen. Mich hat er überzeugt und so habe ich schliesslich für ihn gestimmt.

Gilles de Weck vertritt neu die Regionalgruppenkommission im Vorstand. Therese Lüscher wird neu MS-Betroffenenvertreterin im Vorstand. Daniel Schwab tritt als Betroffenenvertreter auf die nächste MV aus dem Vorstand aus. Es wird ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gesucht. Eine Kandidatur aus der Romandie wäre erwünscht. Interessierte können mit Daniel Schwab Kontakt aufnehmen.

Dr. Jens Kuhle vom Unispital Basel hielt einen Vortrag zur Kohortenstudie der MS-Gesellschaft (SMSC-Study), die unter der Führung des Unispitals Basel durchgeführt wird. Über die Kohortenstudie habe ich in meinem Artikel MS Informationstag «Aus der Forschung für die Praxis» – Offenlegung von Interessenbindungen bereits geschrieben. Die Kohortenstudie ist selbst keine richtige Studie, sondern stellt vielmehr die Infrastruktur für weiterführende Studien zur Verfügung. Die Uni Zürich wird wahrscheinlich nicht mitmachen. Im Anschluss an den Vortrag gab es diverse Fragen: So wurde klar, dass Lifestyle Parameter wie zum Beispiel Ernährung und Rauchen in der Studie nicht erfasst werden. Der Wert dieser Studie wird so für die Betroffenen gemindert, was sehr schade ist. Später mehr.

Ein Check von 70‘000 Franken vom Risottotag wurde vom Gilde Präsidenten übergeben.

Die Vorstandsmitglieder Prof. Dr. Ludwig Kappos, PD Dr. Patrice Lalive und Dr. Hans Heinrich Coninx (Verleger TA Media) waren nicht anwesend. Ich bedaure es sehr, dass Herr Kappos in seiner Funktion als Präsident des Wissenschaftlichen Beirates nicht anwesend war. Entschuldigungsgründe wurden keine genannt. Als starker Mann des wissenschaftlichen Beirates verteilt er jährlich 1.3 Mio. Franken. Die Herren Kappos und Coninx fehlten schon an der letzten MV in Aarau.

Es waren praktisch keine Jungen (

An dieser Stelle kann auch ich meinen Dank an all die Spender, die zahlreichen unbezahlten und bezahlten Mitarbeiter und freiwilligen Helfer der MS-Gesellschaft richten. Es wurde viel und gut gearbeitet. Herzlichen Dank!

Ich habe anschliessend die schöne Stadt Fribourg besichtigt und zufälligerweise fand gerade ein Stadtfest statt. Die abwechselnden Veranstaltungsorte geben immer Gelegenheit eine andere Stadt kennen zu lernen. Deshalb für alle, die nächste MV findet am 1. Juni 2013 in Luzern statt. Merkt euch den Termin!

Zusammenfassung

Es gibt in der MS-Gesellschaft unterschiedliche Auffassungen über die Ausrichtung und den Einsatz der Mittel. Einige finden die Forschung sei in der MS-Gesellschaft zu dominant geworden. Die Interessen der Neurologen/Forscher und der Betroffenen müssen in der MS-Gesellschaft abgewogen werden. Die neuen Vorstandsmitglieder werden sich für eine Richtungsänderung einsetzen. Es wird sicher interessante Diskussionen geben.

Das war nun mein Bericht und mein Eindruck der MV 2012 der MS-Gesellschaft in Freiburg. Ich bin froh, dass ich daran teilnahm.

[Aktualisierung 04.06.2012: Die News-Meldung der MS-Gesellschaft über die MV ist erschienen.]

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Akute Dyspnoe bei Tumorpatienten Teil 2

Also ich kann mich nicht erinnern wann ich das letzte Mal einen klinisch so schlecht oxygenierenden Patienten mit einem so blanden Röntgen-Thorax gesehen habe…

 

In jedem Fall ergab sich trotz Lysetherapie keine Verbesserung der klinischen Situation, der Patient wurde mittlerweile mit einem PEEP von 10 und einer FiO2 von 1,0 beatmet, hierunter SO2 von
knapp 95% und gerade noch akzeptable Dyspnoe.

 

Was nun? Formal war hier schon längst eine Intubation indiziert, meine Vorgesetzten taten sich jedoch aufgrund der Grunderkrankung und -prognose sehr schwer damit, als nächstes kam das Gespräch
auf eine mechanische Katheterfragmentierung, eine invasive Angelegenheit, die letzte Chance bei fulminanter LAE nach Lyseversagen.

 

Nach Rücksprache mit den Interventionalisten und dem Patienten Entscheid genau dies zu tun, zuvor sollte aber noch ein CT-Thorax Angio gemacht werden, um die Diagnose zu sichern…

 

Hier das Bild der Pulmonalishauptstammregion:

Tja, war wohl nix mit fulminanter Lungenembolie. Der Rest des Thorax in der Schnellbefundung auch ohne grössere Pathologien, keine zentrale oder periphere LAE, kein Emphysem, kein Infiltrat.
Einzig das riesige rechte Herz fällt auf.

Die bisherigen Antworten waren schon übrigens schon sehr nah dran…

 

Natürlich kam der Patient nun nicht mehr auf den Angiotisch, denn was sollte man hier noch fragmentieren?

Leider verstarb er wenige Stunden später intubiert, aber mit weiter nicht gelöster Oxygenierungssituation. Erfreulicherweise konnte sich der Sohn zur Genehmigung der Obduktion überwinden.

 

Hier fand sich eine diffuseste hepatische Metastasierung und in nahezu allen peripheren Lungensegmenten kleinste Tumoremboli. Laut Pathologen, der dies auch mikroskopisch bestätigen konnte neigen
gewisse Adeno-CA´s zu Mutationen, die den Verlust von Adhäsionsmolekülen mit sich bringen, dies kann zu einer fulminaten Tumorembolie führen, die kleinsten Emboli sind nur wenige mm gross und
damit unterhalb der CT-Auflösung.

 

Also, die Diagnose:

Terminale respiratorische Partialinsuffizienz durch fulminante diffuse pulmonale Tumorembolisierung.

 

P.S.: 

Sehr gut der Hinweis auf einen Rechtsherzinfarkt, die entsprechenden Ableitungen waren unauffällig, auch eine akute chemoinduzierte Pneumopathie wurde diskutiert, jedoch bei normalem Rö-/CT-Thx
als nicht wahrscheinlich empfunden.

 

Nun nochmal zur Diskussion: Hätte man was anders machen können? Wäre der Patient zu retten gewesen? Was wäre noch eine letzte Möglichkeit bei einem jüngeren und fitteren Patienten
gewesen?

(Pulskon)trolle!

Ein WTF aus dem Hause Pettigrew. : D Das Weltrettungsteam setzt sich zusammen aus Harry (ja, Potter! *g*) und mir, als Praktikant haben wir (Überraschung!) Pettigrew dabei. Unsere Patientin fühlt sich unwohl, hat nach eigener Angabe schon den ganzen Tag Kreislaufproblem mit allem, was dazugehört. Pettigrew tastet in seiner bekannt kompetenten Art erstmal nach ihrem […]