Penicillin-Allergie auf homöopathische Arzneimittel

In der Ausgabe des „Deutschen Ärzteblatts“ vom 13. März 2012 wird ein für mich eher ungewöhnliches Ereignis diskutiert – und bewertet: Vereinzelt aufgetretene Nebenwirkungen bei homöopathischen Präparaten (http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/49491). Hier wurde von einer Frau berichtet, die über 6 Monate dreimal täglich Notakehl in der Potenzierung D4 eingenommen hatte und sich jetzt eine akute interstitielle Nephritis (Nierenentzündung) zugezogen hat. Das Blatt gibt an, dass diese Form der Nephritis häufig Folge einer allergischen Reaktion der Niere ist. Und da Notakehl Penicillium chrysogenum enthält, muss es sich hier um eine Penicillin-Allergie handeln. Soweit so gut.

Das Gewehr anlegen – zielen – Feuer!

Eigentlich ist es doch nicht ungewöhnlich, wenn Medikamente Nebenwirkungen produzieren. Man setzt die Substanz beim Patienten ab und versucht über andere Möglichkeiten therapeutisch effizienter zu sein. Nicht hier bei Notakehl und seinen homöopathischen Brüdern. Denn sofort ging die Fahndung los, ob man nicht noch andere Fälle von Nebenwirkungen unter homöopathischen Mitteln ausfindig machen könnte. Und man wurde fündig! Es gab da noch den Fall einer 39-Jährigen, die durch Notakehl an Albuminurie, Hämaturie und Fieber erkrankt war. Das macht schon 2! Und da 2 + 2 = 4 ist, wurden noch 2 weitere Fälle unter Mucokehl D5, Nigersan D5 und Notakehl D7 gesehen, alles allergische Abläufe.

Bei einer solchen 4-Patienten-Pandemie ist dann das BfArM sofort aktiv geworden und erwägt den Abschuss von Notakehl bis zu einer Verdünnung von D8. Andere homöopathische Mittel ähnlicher „Bauart“, die also Antigene von anderen Schimmelarten enthalten, werden dann bald folgen.

Bei diesem ganzen Szenario stoßen mir 3 Dinge auf:
1. Warum werden plötzlich nach wie viel Jahrzehnten „gravierende“ Nebenwirkungen bei homöopathischen Präparaten gesehen, die zuvor nie da gewesen sind? Zufall?

2. Warum wird eine Medikamentengruppe verboten, die laut schulmedizinischer Einschätzung vollkommen wirkungslos ist? Oder gibt es Medikamente, die nur Nebenwirkungen, aber keine Wirkung haben? Das klassische Dogma der Pharmakologie bestätigt einen solchen Sachverhalt nicht. Denn hier gilt, dass Substanzen ohne Nebenwirkungen auch keine Wirkung haben; und Substanzen mit Wirkung auch Nebenwirkungen haben.

3. Warum kommen diese Medikamente sofort auf den Index, wo doch die Produkte der Pharmaindustrie häufigere und stärkere Nebenwirkungen haben als 4 Patienten in 50 und mehr Jahren?

Wenn man sich einmal die Ursachen für eine interstitielle Nephritis auf Wikipedia anschaut, dann muss man mit Staunen folgendes lesen: „Die Ursachen sind vielfältig und umfassen Schäden durch Giftstoffe, Medikamente, Virusinfektionen oder Strahleneinwirkung. Zumeist sind es Noxen wie Medikamente (z. B. ?-Lactam-Antibiotika, Cephalosporine, Aminoglykoside, Nichtsteroidale Antiphlogistika und andere Schmerzmedikamente, H2-Antagonisten, Antikonvulsiva sowie die Harnsäure senkende Medikamente) aber auch Virusinfektionen und Autoimmunerkrankungen (z. B. Sarkoidose) können dieser Erkrankung zugrunde liegen.“ (Hervorhebung von mir). Hier fällt mir sofort auf, dass Notakehl nicht mit von der Partie ist. Andere Medikamente der Schulmedizin haben offensichtlich ein viel höheres Potential zur Ausbildung einer Nephritis als Notakehl.

Gretchenfrage jetzt: Und warum werden die nicht auf die Abschussliste gesetzt, wo die doch ein viel höheres Gefahrenpotential haben? Legoland-Antwort: Weil das ordentliche Medikamente sind, evidenzbasiert und wirksam.

Die richtige Antwort jedoch ist: Das sind Medikamente, mit denen die Pharmaindustrie ihr Geld verdient, gleichgültig ob sie wirken oder nebenwirken. Das schließt natürlich nicht aus, dass es auch gute Medikamente gibt, trotz einiger Nebenwirkungen. Aber darum geht es hier nicht. Man sollte nicht glauben, dass alle diese Medikamente gemacht worden wären, um den Patienten zu helfen. Sie sind Markt- und Markenprodukte, die Gewinne erzielen sollen, selbst über tote Körper. Avandia, Vioxx, Contergan usw. hatten ganz andere Nebenwirkungen als Notakehl bei einem „statistisch signifikant“ größeren Patientenkollektiv als 4 Patienten (zusammen über 100.000 in ca. 10 Jahren), und doch sind die Substanzen über Jahre als Innovationen und Durchbrüche gefeiert worden. Bei so viel Ignoranz oder gewollter Wahrheitsverdrehung ist es dann kein Wunder, wenn 4 Fälle unter einer homöopathischen Substanz als Beleg für deren Gefährlichkeit zu gelten haben.

Schaut man sich einmal die Ärzteblatt-Ausgabe vom 9. März an (http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/49450/Ueberempfindlichkeitsreaktionen-und-Pankreatitis-unter-Onglyza), kann man sich nur noch wundern. Hier werden die Nebenwirkungen einer Diabetes Medikation – Onglyza, generischer Name Saxagliptin – diskutiert. Es werden zwar keine Häufigkeitszahlen erwähnt (sehr wahrscheinlich aus gutem Grund), aber die Art der Nebenwirkungen steht einer Nephritis in nichts nach: schwerwiegende Überempfindlichkeitsreaktionen, Angioödeme, anaphylaktische Reaktionen und akute Pankreatitis. Statt einer (Nephritis) haben wir hier gleich 4 Nebenwirkungen. Steht die Substanz jetzt auf dem Index des BfArM? Fehlanzeige! Statt dessen wird empfohlen, das Medikament abzusetzen und alles wird wieder gut… Und es ist auch ganz toll, wie der Hersteller damit umgeht: „Darauf (auf die eben aufgelisteten Nebenwirkungen – Anm.v.mir) macht der Hersteller in einem Informationsbrief aufmerksam.“ Wenn das nicht verantwortungsvolle und effektive Medikamentensicherheit ist!

Ach ja, das Ärzteblatt gibt auch sofort Entwarnung: „Zudem sei eine Pankreatitis bereits als Nebenwirkung anderer DPP4-Inhibitoren bekannt. Die Fachinformation fordern jetzt, dass die Patienten darüber aufgeklärt werden, dass anhaltende, starke Bauchschmerzen ein charakteristisches Symptom einer akuten Pankreatitis sein können.“ Weil andere Medikamente also die gleichen Nebenwirkungen haben, sind sie natürlicher Teil des ganzen Theaters und nicht Gegenstand von Überlegungen, die Substanz aus dem Verkehr zu ziehen und durch Alternativen zu ersetzen. Und weil das so ist, muss der Patient auf sich aufpassen, denn diese Nebenwirkungen sind offensichtlich schon als eine Art medizinisches „collateral damage“ abgehakt.

Warum also reicht bei 1 Nebenwirkung bei 4 Patienten in 50 Jahren nicht das, was einer schulmedizinischen Medikation zugestanden wird, die mehr und häufiger Nebenwirkungen produziert: Absetzen, Patient warnen und Fachinformationen ausgeben? Oder ist es nicht logischer, das Medikament mit den vielen und häufigen Nebenwirkungen zu verbannen und das mit den wenigen Nebenwirkungen nur mit entsprechenden Warnhinweisen zu versehen, für den Fall eines weiteren Falles?

Über die Wirkung, die Nebenwirkung und die Wirkungslosigkeit

Wie bereits erwähnt, lautet das pharmakologische Dogma über Wirkungen und Nebenwirkungen, dass beide sich gegenseitig bedingen. Sie sind beide zusammen da oder abwesend. Ein nur-Wirkung-null-Nebenwirkung gibt es nicht. Ebenso ein nur-Nebenwirkung-null-Wirkung. Dieses Dogma ist bis heute die Grundlage der Kritik an der Homöopathie, da diese ihren Wirkstoff so weit verdünnt, dass nichts mehr übrig bleibt, was wirken könnte. Damit sind auch die fehlenden Nebenwirkungen erklärt. Andere Wirkmechanismen sind nicht bekannt bzw. vorstellbar. Ob der letzte Gedanke richtig ist, sei mal dahingestellt.

Viel aufregender ist heute, dass die Anhänger der Schulmedizin und klassischen Pharmakologie ihre eigenen Prinzipien mit Füßen treten. Denn hier tritt ein Phänomen auf, dass sich mit dem klassischen Dogma der Pharmakologie lässig erklären lässt: Notakehl macht Nebenwirkungen wie jedes andere nicht-alternative Medikament auch, da es eben doch eine Wirkung hat! Und das trotz 10.000-facher Verdünnung. Aber vielleicht liegt ja hier der Hund begraben – weil es Wirkung hat, wird eine seltene Nebenwirkung zum Anlass genommen, einen potentiellen Konkurrenten mit besserer Wirkung und besserer Verträglichkeit abzuschießen. Denn trotz 4 Nebenwirkungen steht die Homöopathie immer noch in dem Ruf, eines der verträglichsten Behandlungssysteme zu sein. Zumindest sind mir hier keine Behandlungs-GAU alá Vioxx, Avastin, Avandia et al. bekannt. Da ist es schon fast lustig (oder auch traurig), wenn die Homöopathie wegen etwas in die Mangel genommen wird, was sie angeblich nicht hat und nun doch hat.

Fazit

Homöopathie ist Mist, weil sie nicht wirkt. Seit dem 13. März 2012 ist sie Mist, weil sie wirkt – diese Widersprüche und seltenen Argumentationsakrobatiken seitens der Schulmedizin haben für mich nur eins zum Ziel: Die pseudowissenschaftliche und lobbyistische Rechtfertigung der eigenen Unzulänglichkeit. Dies ist Ideologie pur, wie sie nicht besser in autoritär geführten Ländern gepflegt wird. Hier gehört man zu den Ersten, wenn es unbedingt sein muss, die die eigenen Regeln verletzen oder gleich missachten. Denn wenn es um den Patienten ginge, dann gäbe es keine Diskussion, ob Homöopathie wirksam oder unwirksam ist. Dann käme das zum Einsatz, was den Patienten wieder ins rechte Lot bringt – und wenn es ein Pharmaprodukt wäre.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *