Anhand einer fiktiven Patientin und ihrer Medikamente möchte ich hier einmal zeigen, was -vielleicht hinter den Kulissen- abläuft und welche Situationen sich im Apothekenalltag ergeben können.
Wir nehmen an Frau Müller-Meyer-Richner kommt in die Apotheke mit 2 Rezepten, die sie bekommen hat. Eines der Rezepte vom Hausarzt vor einigen Tagen, ein anderes vom Hals-Nasen-Ohren-Arzt bei dem sie heute war.
Ich kenne Frau Müller-Meyer-Richner schon, da sie bereits Medikamente bei uns bezogen hat. Darum habe ich sie auch schon im Computer mit einem Patientendossier drin. Als Frau Müller-Meyer-Richner das erste Mal mit einem Rezept bei uns war, habe ich sie gefragt, ob sie noch andere Medikamente nimmt und ob sie Allergien hat – ja, gegen Penicillin, da habe sie einmal einen üblen Ausschlag bekommen. Diese Info ist jetzt in ihrem Patientendossier im Computer abgelegt. Beim Öffnen des Dossiers rufe ich auch die Krankenkassendeckung automatisch mittels Internet-Verbindung ab.
Auf dem ersten Rezept, das Frau Müller-Meyer-Richner mir gibt, sind vor allem Medikamente, die sie bisher schon gehabt hat und die sie regelmässig weiter nehmen muss. Deshalb hat der Arzt auch ein Dauerrezept ausgestellt.
Das ist auf dem Rezept:
Dauerrezept für 6 Monate
1 OP Euthrox 125 mcg 1-0-0
1 OP Torem 10mg C 1-0-0
1 OP Marcoumar C: D.S. nach Schema
1 OP Calcimagon D3 CXX 1-0-0
1 OP Sortis 10mg C 0-0-1
Ich suche die Medikamentenpackungen heraus –ich kenne die Medikamente und ihre Wirkungen schon, auch die wichtigsten Wechselwirkungen sind mir geläufig, aber der Computer ist da eine grosse Hilfe, da das rasch unübersichtlich werden kann. Auch gut ist es, dass ich die bisher gehabte Dosierung abrufen und kontrollieren kann. So kann ich bei Änderungen nachfragen – so wurde schon mancher kleiner Fehler verhindert.
Euthyrox Sie hat – wie bisher- ein Mittel gegen Schilddrüsenunterfunktion. Das Mittel muss man zwingend nüchtern einnehmen – das heisst mindestens eine halbe Stunde vor dem Essen, weil es sonst schlechter aufgenommen wird und dann auch schlechter wirkt. Darum schreibe ich das auch so auf die Etikette.
Torem ein Mittel gegen Bluthochdruck. Auch das hatte sie schon. Allerdings in einer niedrigeren Dosierung, vorher waren es 5mg – Die Patientin weiss aber von der Dosierungsänderung, auf die ich sie Hinweise. Darum kann ich mir hier die Rückfrage beim Arzt sparen. Sie hatte bisher auch das Generikum von Torem – Torasem Mepha, das ich auch für die neue Packung wähle.
Marcoumar – ein Mittel zur Blutverdünnung. Bilden sich im Blut Thrombosen – wenn das Blut gerinnt, können diese in Herz und Lunge wandern und dort die Gefässe verstopfen. Das gibt Lungenembolien und Herzinfarkte. Bei Personen mit Risiko – zum Beispiel bestehenden Herzproblemen beugt man vor. Weil die Blutgerinnung ein sehr empfindliches System ist, ist es ganz wichtig, dass hier gut eingestellt wird. Das geht nur mit regelmässigen Messungen der Blutgerinnung… und einer individuellen Dosierung. Darum steht hier „Nach Schema Arzt“ – das kann dann sein ½ Tablette 2 Tage lang, dann 1 Tablette im Wechsel. Ganz viele Medikamente machen bei dem Wechselwirkungen. Allein hier auf dem Rezept sehe ich schon 2. Es gilt abzuschätzen, wie relevant das jetzt ist. Wir haben hier einmal eine Wirkungsverstärkung und einmal eine Wirkverminderung … Vor allem wenn neue Medikamente hinzukommen sollte man darum nachfragen, ob hier regelmässig zur Quick-Kontrolle gegangen wird. Dem ist so. Sie hat auch in ein paar Wochen wieder einen Termin.
Calcimagon D3 – dieses Medikament hat die Patientin neu. Es handelt sich um ein Calciumpräparat – zum Beispiel zur Osteoporosevorbeugung. Und jetzt stossen wir auf ein Problem. Nach dem Arzt müsste sie das auch morgens einnehmen. Gerade Euthyrox ist aber wie gesagt, empfindlich … speziell auf sogenannt Mehrwertige Kationen, wie Calcium (Ca2+ – erinnert sich vielleicht noch jemand aus dem Chemiepraktikum daran?) auch eines ist. Wenn ich die gleichzeitig gebe – oder auch nur in zu geringem Abstand, bilden sich aus den beiden eine schwer-lösliche Verbindung im Magen und Darm, die dann nicht mehr aufgenommen wird – das bedeutet, das Euthyrox wirkt nicht mehr. Darum teile ich das Frau Müller-Meyer-Richner mit und dass ich darum statt dessen darauf schreibe: mittags oder abends. Nicht morgens.
Das Problem gibt es übrigens nicht nur mit den Medikamenten, die man auf Rezept bekommt. Wechselwirkungen finden auch mit freiverkäuflichen Präparaten statt. In dem Fall zum Beispiel Multivitaminpräparate in anderen auch Schmerz- und Grippemittel, zum Beispiel beim Marcoumar. Man darf das auf keinen Fall unterschätzen, weil es z.B. beim Blutgerinnungsmittel rasch Blutungen geben kann.
Sortis –Ein Mittel zur Cholesterinsenkung (die Blutfette) und auch zur Vorbeugung bei Risikopatienten gegen Herzprobleme. Frau Müller-Meyer-Richner hat es schon lange, aber auch hier gibt es eine Änderung: Seit neustem gibt es von diesem Mittel auch Generika. Darum nehme ich beide Packungen nach vorne und zeige sie dem Patienten. Preisdifferenz hier: ca. 60 Franken! Ich darf das als Apotheke mit dem Einverständnis des Patienten selbst austauschen. Was ich auch mache.
Jetzt hat Sie noch ein zweites Rezept von einem anderen Arzt
Clarithromycin 500 mg XIV 1-0-1
Das ist ein Antibiotikum.
Clarithromycin. Kein Penicillin, also kein Problem mit der gemeldeten Allergie.
Aber … bei der Eingabe zeigt es mir eine Wechselwirkung an. In diesem Fall eine schwerwiegende .. und zwar mit dem Sortis/Atorvastatin. Es besteht die Möglichkeit, dass in Kombination sich Muskelfasern auflösen und diese dann die Niere verstopfen. Das ist sehr schlecht, darum ist diese Kombination kontrainduziert – faktisch verboten.
Weil ich das Antibiotikum nicht einfach austauschen kann, nehme ich per Telefon mit dem Arzt Rücksprache. Leider kann auch er nicht einfach ein anderes AB nehmen – wegen dessen Wirkspektrum- und wir entscheiden uns, die Sortis (Atorvastatin) für die Dauer der Antibiotikabehandlung wegzulassen. Nach der Behandlung (sicherheitshalber plus 2 Tage) muss sie aber damit weitermachen.
Rezept abschliessen: Alle Medikamente anschreiben und mit Erklärung der Dosierung hinlegen.
Fertig! Dauer ca. 10 Minuten.
In Komplizierten Fällen – zum Beispiel bei mehr als 3 Dauermedikamenten lohnt es sich, eine weitergehende Beratung zur Anwendung der Medikamente anzubieten. Dabei geht es vor allem um eine mögliche Vereinfachung und Kontinuität der Medikamenten-Einnahme. Es ist nämlich wichtig, dass man seine Medikamente regelmässig nimmt, damit sie auch richtig wirken können.