Auf der Internationalen Aids-Konferenz in Washington nehmen neue medizinische Präventionsmethoden einen großen Raum ein und werden auch kritisch diskutiert. Von Dirk Sander
Kurz vor der Konferenz wurde in den USA das HIV-Medikament Truvada für die vorbeugende Behandlung Nichtinfizierter mit hohem HIV-Risiko zugelassen. Kritische Stimmen aus der Community aber, wie zum Beispiel der Hinweis, dass eine solche Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) zur Vermeidung einer HIV-Infektion kaum den Wünschen und der Lebensrealität schwuler Männer entspreche, werden auf der Aids-Konferenz auch schon mal massiv vom Podium abgebügelt. Das vornehmlich aus Medizinern zusammengesetzte Publikum unterstützt dies mit frenetischem Beifall.
Deshalb war es erfreulich, auch empirische Daten zu eben dieser Lebensrealität zu bekommen, zum Beispiel zur Rolle von Homophobie. In einer hochkarätig besetzten und vom LANCET-Herausgeber Richard Horton moderierten Veranstaltung am 24. Juli wurde hervorgehoben, dass schwule Männer weiterhin weltweit die Hauptlast der HIV-Krise zu tragen hätten. Zum einen sicherlich aufgrund ihrer biologischen Vulnerabilität („Verletzlichkeit“, „Anfälligkeit“) – die Übertragungswahrscheinlichkeit beim Analverkehr ist 18-mal größer als beim Vaginalverkehr –, zum anderen aber und insbesondere aufgrund der Stigmatisierung und Diskriminierung von Homosexuellen in der Gesellschaft und auch in den medizinischen Einrichtungen.
Gelungene Prävention braucht Medizin, Politik und Community
„Homophobie hat massive Auswirkungen auf die Gesundheit schwuler Männer, man muss deshalb in der Prävention die ganze Person“ berücksichtigen, so Kenneth Mayer von der University of Capetown (Südafrika). Er zeigte an seinen Daten, wie Stigmatisierungen die Internalisierung (Verinnerlichung) von Homophobie begünstigen und sich so die Anfälligkeit für Depressionen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung verdoppelt. Vielfach führe das zu Selbstmedikamentation und unkontrolliertem Drogengebrauch, was wiederum episodisch oder dauerhaft zu riskantem sexuellem Verhalten führen könne.
Dennis Altman von der La-Trobe-Universität in Melbourne betonte, Prävention sei viel mehr, als sich Epidemiologen und Mediziner vorstellen könnten. „Traditionelles Denken, kulturelle Barrieren und religiöse Vorstellungen“ stützten homophobe Tendenzen in allen Gesellschaften.
Gelungene Prävention umfasst deshalb „das ganze Paket“: Medizin, Politik und Community sind auch weiterhin gemeinsam für die Lösung der Aidskrise wichtig.