Die Mitarbeitermotivation, definiert als Bereitschaft und Antrieb, sich im Sinn der Praxisziele zu engagieren, ist ein zentrales Thema von Praxisbetriebslehre und Praxisführung. Motivierte Mitarbeiterinnen – das zeigen Praxisanalysen immer wieder – setzen sich mit einer wesentlich höheren Arbeitsproduktivität als weniger engagierte Kolleginnen ein, arbeiten deutlich selbständiger, sorgfältiger und vorausschauender, schaffen ein positiveres Betriebsklima und wirken sympathischer auf die Patientinnen. Zudem werden viele kleine Probleme eigenständig gelöst, ehe es zu Konflikten oder Eskalation kommt. Die gesamte Dienstleistungsqualität einer Praxis profitiert somit von motiviertem Personal, hinzu kommt eine spürbare Arbeitsentlastung für den Praxisinhaber.
Aber nur ein geringer Anteil der Ärzte nutzt die geschilderten Vorteile. So weist das IFABS Praxis-Panel für den Durchschnitt aller Fachgruppen eine durchschnittliche MFA-Arbeitszufriedenheit von 3,9 aus (Basis: Schulnotenskalierung). Wie aus betriebswirtschaftlichen Reihenuntersuchungen bekannt ist, besteht ein linearer Zusammenhang zwischen der Mitarbeiterzufriedenheit und der Arbeitsproduktivität. So ist bei einem Zufriedenheitswert von „3“ die Arbeitsproduktivität bereits um ein Drittel niedriger als in einem optimierten Zustand. Konkret klagen die unzufriedenen Mitarbeiterinnen vor allem über eine zu geringe Anerkennung ihrer Arbeit, zu wenig Freiheit, selbstbestimmt zu arbeiten, ungerechte Behandlung, mangelnde Mitgestaltungsmöglichkeit der Praxisarbeit (Verbesserungsvorschläge werden ignoriert), unfaire bzw. unpassende Kritik, z. B. in Form von Tadelung in Anwesenheit von Patientinnen. Die Auflistung zeigt bereits erste Ansätze, motivierte Mitarbeiterinnen zu schaffen. Doch wer als Praxisinhaber nachhaltig motivieren möchte, sollte zunächst einige grundlegende Aspekte der Mitarbeitermotivation berücksichtigen:
Geld ist nur ein Kurzzeit-Motivationsinstrument: „Meine Mitarbeiterinnen möchten immer mehr Geld, aber sobald sie eine Erhöhung erhalten haben, schließt sich die nächste Forderung an!“ Dieser Aspekt der Motivation wird bei Analysen des Führungssystems von Arztpraxen immer wieder angeführt. Die Situation ist symptomatisch für Praxen, in denen keine oder nur wenige Motivationsmaßnahmen eingesetzt werden. So reduziert sich für das Personal die Frage der Motivation auf die Höhe des Gehaltes bzw. der Zusatzleistungen und Prämien. Grundsätzlich ist jedoch festzuhalten, dass Geldzahlungen immer nur vorübergehend motivierend wirken. Schnell hat man sich an das neue Einkommensniveau gewöhnt, der Effekt des „ersten Freude-Momentes“ verfliegt schnell. Damit wird auch deutlich, dass Geldzahlungen durch andere Motivationsmaßnahmen ergänzt werden müssen, um eine Langzeit-Aktivierung zu erreichen.
Motivation ist mehrschichtig: Die Mitarbeitermotivation setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen: zum einen aus dem Ausmaß der Grund- oder inneren Motivation, man könnte auch von Lebensmotivation sprechen. Hierunter ist die essentielle Antriebsbereitschaft zu verstehen, die ein Mensch an den Tag legt und die die Art eines Handelns bestimmt. Der zweite Bestandteil ist die Arbeitsmotivation, die aus dem Arbeitsplatz und dem zugehörigen Aufgabenbereich resultiert. Als dritte Einflussgröße kommt dann die Gruppenmotivation hinzu, die durch die Zusammenarbeit mit dem Team am Arbeitsplatz entsteht. Sollen Praxismitarbeiterinnen motiviert werden, müssen alle drei Bereiche berücksichtigt werden. Existieren Probleme in einem Bereich, z. B: in Form von Teamkonflikten, führt die positivste Ausrichtung in den beiden anderen Sektoren zu keiner optimalen Gesamtkonstellation.
Motivation funktioniert nur, wenn die „richtige“ Mitarbeiterin am „richtigen“ Platz eingesetzt wird: Führen Motivationsmaßnahmen nicht zu den gewünschten Ergebnissen, ist oft eine falsche Mitarbeiterauswahl oder eine inadäquate Aufgabenzuordnung die Ursache. Die besten Aktivierungskonzepte helfen nicht, wenn die aus den zu erledigenden Aufgaben resultierenden Anforderungen die einzelne Mitarbeiterin über- bzw. unterfordern oder mit dem bei der Einstellung vereinbarten Profil in großen Teilen nicht (mehr) übereinstimmen. In diesen Fällen kann Motivation nicht aktivieren, sondern höchstens Schlimmeres verhindern.
Motivation basiert auf gegenseitigem Vertrauen: Mitarbeitermotivation ist nur dann möglich, wenn Praxisinhaber und Mitarbeiterinnen sich gegenseitig wertschätzen. Das bedeutet, dass führungsseitig unvoreingenommen davon ausgegangen werden sollte, dass alle Mitarbeiterinnen das Bestmögliche für die Praxis erreichen wollen. Ohne eine solche Grundeinstellung wirkt Motivation nur halbherzig. Ebenso muss das Personal der Praxisführung vertrauen.
Motivation ist ein Prozess: In Fachbeiträgen zum Thema wird zwar immer wieder von Motivationsmaßnahmen gesprochen. Die Mitarbeitermotivation ist jedoch als Prozess zu verstehen, bei dem im Zeitablauf Maßnahmen kombiniert und abfolgend eingesetzt werden, um die Dauerhaftigkeit des Motivationszustandes sicherzustellen. Zudem wirken – ähnlich dem Einsatz der Marketinginstrumente – Motivationsmaßnahmen erst in Kombination synergistisch, d. h. die Wirkung der einzelnen Maßnahme ist im Verbund größer als bei isolierter Anwendung.
Motivation ist keine Zusatzarbeit: In Bezug auf die Mitarbeitermotivation herrscht vielfach die Meinung vor, dass es sich hierbei um Zusatzaktivitäten zur Alltagsarbeit handelt. Richtig ist vielmehr, dass sie Teil der täglichen Zusammenarbeit ist: ein kurzes Lob im Vorübergehen oder der Dank für die rasche Erledigung einer Aufgabe wirken motivierend, ohne dass ein wesentlicher Zusatzaufwand entsteht.
Motivation lebt von Orientierung: Ohne Perspektiven und Ziele ist keine Motivation möglich, denn Engagement benötigt eine Ausrichtung und eine Beurteilungsmöglichkeit für Erfolg. Unerlässlich für eine nachhaltige Mitarbeitermotivation sind deshalb klare und verständliche Praxis- und Arbeitsziele.
Motivation bezieht sich sowohl auf das Individuum als auch auf das Team: Die bereits angeführte Mehrschichtigkeit der Motivation verdeutlicht, dass immer zwei Motivationsrichtungen – jede einzelne Mitarbeiterin und die Gruppe – berücksichtigt werden müssen. Zwar ergibt sich die Gruppen- aus der Einzelmotivation, aber es ist immer möglich, über die Team-Motivation die Einzelmotivation weiter zu fördern (sog. Pull-Strategie). Die Teammotivation zielt darüber hinaus darauf ab, die Mitarbeiterinnen über den Teamgeist möglichst eng an die Praxis zu binden (Fluktuationsminimierung).
Welche Instrumente und Maßnahmen sind nun geeignet, Praxismitarbeiterinnen und –teams zu motivieren? Spitzenleistung in der Arztpraxis entsteht vor allem durch eine motivationsfördernde Arbeitskultur, die mit Hilfe folgender ausgewählter Bausteine unaufwändig erstellt werden kann:
Professionelle Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen: Besonders die ersten Tage an einem neuen Arbeitsplatz entscheiden über die motivatorische Grundhaltung. Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, aber auch die Organisiertheit und Professionalität in der Einarbeitungsphase prägen entscheidend die Einstellung und das Engagement.
Konkrete Zielvereinbarungen: Die zu erreichenden Praxis- und Arbeitsziele sollten in schriftlicher Form fixiert und mit Erfolgskriterien und Überprüfungsterminen verbunden werden.
Regelmäßige Lob- und Kritikgespräche: Grundlage einer langfristig angelegten Motivation ist eine regelmäßige Kommunikation, um Lob auszusprechen und Kritik so zu äußern, dass die zu beanstandenden Sachverhalte beseitigt werden und die Motivation dennoch erhalten bleibt. Das beste Instrument hierfür sind regelmäßig durchgeführte Vier-Augen-Gespräche.
„Drei-Sekunden-Anerkennung“: Motivation ist Teil der täglichen Zusammenarbeit. Hat eine Mitarbeiterin etwas sehr gut gemacht, sollte dies auch kurz und zeitnah positiv vermerkt werden. Die Würdigung kann dabei knapp sein („Das haben Sie gut gemacht!“, „Prima!“) und im Vorübergehen erfolgen.
Konsequente Delegation: Ein wichtiges Motivationsinstrument ist die Übertragung von Aufgaben zur selbständigen Erledigung. Handlungs- und Entscheidungsfreiheit bieten die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung im eigenen Aufgabengebiet und stellen einen starken positiven Anreiz dar, sich zu engagieren. Wichtig ist hierbei, keine „Schein-Delegation“ zu praktizieren, d.h. die Aufgabenerledigung durch stetes Nachfragen begleitend zu kontrollieren und ggf. sogar während des Erledigungsprozesses die Aufgabendefinition zu verändern.
Gewinnbeteiligung: Nicht ist motivierender als das Bewusstsein, nicht nur zum den Erfolg der eigenen Praxis aktiv beigetragen zu haben, sondern auch daran teilzuhaben, z. B. in Form einer Gewinnbeteiligung. Sie unterstützt nachhaltig die Praxisidentifikation und –loyalität der Mitarbeiterinnen. Gleichzeitig wirkt sie sich positiv auf die Praxisfinanzen aus, da diese Form der Beteiligung in Abhängigkeit vom tatsächlich erwirtschafteten Gewinn fällig und aus ihm finanziert wird.
Praxisbesprechungen: Mit Hilfe von Praxisbesprechungen können die Fähigkeiten und das Wissen der Mitarbeiter aus dem Arbeitsalltag gezielt verwendet werden, um auftretende Probleme zu lösen oder die Praxisarbeit qualitativ weiterzuentwickeln. Werden die belegschaftsseitig eingebrachten Beiträge tatsächlich umgesetzt, entsteht eine starke Motivationswirkung, da das Personal das Gefühl erhält, ernst genommen zu werden und Wesentliches zur Praxisarbeit beizusteuern. Gleiches gilt für das Vorschlagswesen.
Gemeinsame Aktivitäten: Zu speziellen Anlässen ist es für die Motivation förderlich, Gemeinschaftserlebnisse zu organisieren. Hierbei kann es sich ebenso um einen Betriebsausflug wie ein gemeinsames Essen oder einen Theaterbesuch handeln. Solche semi-privaten Zusammenkünfte stärken das Wir-Gefühl des Praxisteams.
Insgesamt gesehen ist die Mitarbeitermotivation ein hocheffizientes Instrument der Praxisführung, das bei konsequenter Anwendung umfassenden Nutzen bietet.