“Stiefkind” Praxisorganisation
Die Organisationsqualität einer Arztpraxis beeinflusst maßgeblich alle qualitativen und quantitativen Erfolgsgrößen sowie die Arbeitsbedingungen für Praxisinhaber und Mitarbeiterinnen. Doch die meisten Ärzte schenken dieser wichtigen Stellgröße nur geringe Beachtung. Eine Breitenuntersuchung des Instituts für betriebswirtschaftliche Analysen, Beratung und Strategie-Entwicklung (IFABS) mit einem validierten Instrumentarium (http://bit.ly/xiWNgz ) zeigt, dass sich in einer Arztpraxis durchschnittlich achtzehn Ansätze für organisatorische Verbesserungen identifizieren lassen (http://bit.ly/Jsyypk ). Dennoch haben bislang erst 32% der deutschen Ärzte eine Organisationsanalyse durchgeführt (http://bit.ly/Jsyypk ). Dabei profitieren die wenigen Praxisinhaber, die sich für die Umsetzung einer professionellen und umfassenden Organisations-Überarbeitung entscheiden, von durchschnittlich 25% mehr Gewinn (http://bit.ly/tG3iXE ). Zu wenig beachtet wird in diesem Zusammenhang auch der Magnet-Effekt der Praxisorganisation (http://bit.ly/yx5NeV ). Der Begriff bezeichnet eine Konstellation, bei der die Zufrieden- bzw. Unzufriedenheit mit einem Praxis-Leistungsmerkmal die Patientenbeurteilung anderer Merkmale direkt beeinflusst. Merkmale mit diesem Effekt sind in ihrer Wirkung so stark, dass ihnen durch Veränderungen in anderen Leistungsbereichen nicht entgegengewirkt werden kann. Wird die Organisation von Patienten als nur unzureichend empfunden, überträgt sich diese Negativeinschätzung automatisch auf andere Leistungsbereiche.
Zehn Gründe für “Optimierungs-Abstinenz”
Aus Gesprächen mit Ärzten und Medizinischen Fachangestellten konnten zehn Hauptgründe identifiziert werden, die – isoliert oder kombiniert – zu einer Zurückhaltung bei der Beschäftigung mit organisatorischen Problemen führen:
(1) Externe Beeinflussung: Organisations-Defizite werden als Probleme angesehen, die hauptsächlich durch Patienten und Administrations-Vorschriften verursacht werden. Praxisteams halten ihre Abläufe für richtig, sie greifen nur nicht – so die Meinung -, da die Patienten sich nicht an die Organisations-Leitlinien der Praxen halten und die formalen Anforderungen, z. B. Dokumentationen, stetig zunehmen.
(2) Zwei-Welten-Phänomen: Ärzte und Medizinische Fachangestellte haben aufgrund ihrer Arbeitsgebiete unterschiedliche Sichtweisen der Organisation. Solange Patienten sich nicht beschweren, sehen Praxisinhaber keinen Anlass für ein Überdenken des organisatorischen Gefüges.
(3) Suche nach der “großen Lösung”: wird die Praxisorganisation als verbesserungsbedürftig erkannt, suchen Praxisteams häufig nach besonders auffälligen Aspekten, die die Abläufe in größerem Umfang beeinträchtigen. Doch die existieren häufig nicht. Vielmehr führt die Summe einer Vielzahl kleinerer Fehler zu den Problemen. Schon die Neuorganisation des Empfangsprozederes für Patienten, mit der z. B. pro Stunde zehn Minuten eingespart werden, erbringt bei einem Acht-Stunden-Tag eine Gesamteinsparung von über einer Stunde.
(4) Denkfalle Qualitätsmanagement: Die Analyse und Dokumentation von Prozessen sowie die Erstellung von zugehörigen Checklisten bilden ein Kernstück des Qualitätsmanagements. Manche Praxisteams gehen davon aus, dass hierdurch bereits eine Optimierung erzielt wird. Doch häufig weichen Dokumentation und Umsetzung deutlich voneinander ab.
(5) Angst vor Veränderungen und den Konsequenzen: Einer der häufigsten Organisationsfehler ist das “Einschieben” unangemeldeter Patienten, die kein Notfall sind, in ein Termin-Bestellsystem. Diese Praktik beruht auf der Angst, Patienten bei Nichtannahme zu verlieren. Dass mit jedem eingeschobenen Patienten im Durchschnitt 1,6 Terminpatienten verloren gehen, die sich über die verlängerten Wartezeiten ärgern, wird dabei nicht gesehen. Hinzu kommt auch die Angst, etablierte und überschaubare Routinen aufgeben zu müssen.
(6) Fehlende Methodenkenntnis: leiden Praxisteams aktiv unter organisatorisch bedingten Problemen, wird oft nichts unternommen, da Ärzte und Mitarbeiterinnen nicht wissen, wie sie die Problemursachen detailliert untersuchen und beseitigen sollen. Gleichzeitig möchten Ärzte keine externe Hilfe in Anspruch nehmen, da sie Kosten verursacht.
(7) Trugschluss: Prozesse zur Organisations-Optimierung haben bei Ärzten ein schlechtes Image, da mit ihnen häufig der “Hamsterrad-Effekt” assoziiert wird. Man wehrt sich gegen die Vorstellung, möglichst jede Minute produktiv nutzen zu müssen. Der Blick dafür, dass es initial darum geht, das bestehende Arbeitsvolumen mit geringerem Aufwand und weniger Belastung zu erledigen, ist ihnen verstellt.
(8) Bequemlichkeit: Mit Hilfe der Rechtfertigung, dass die Organisation in anderen Praxen auch nicht besser sei, werden Veränderungen gar nicht erst in Angriff genommen.
(9) Unzureichende Arzt-Mitarbeiterinnen-Kommunikation: Medizinische Fachangestellte sind aufgrund ihrer Aufgaben nah am Geschehen und haben dadurch den besten Einblick, welche Abläufe gut funktionieren und wo es zu Problemen kommt. Doch ein intensiver Informationsaustausch zwischen Praxisinhabern und ihren Mitarbeiterinnen, bei dem regelmäßig auch über die Funktionalität der Praxisorganisation gesprochen wird, existiert nur selten. So bleiben viele Optimierungsansätze unerwähnt und werden nicht umgesetzt.
(10) Fehler des Personals: Nicht zuletzt besteht auch bei manchen Ärzten die Überzeugung, dass die Medizinischen Fachangestellten aufgrund für Organisationsprobleme verantwortlich sind, z. B. aufgrund von Gleichgültigkeit oder fehlender Übersicht.