(P. Köhler) Die Sicherheit wurde in den USA soweit getrieben, daß den Geheimnisträgern in Los Alamos jeder Gegenstand verboten war, der irgendwie, mit gutem oder bösem Willen, an das Design einer Kernwaffe erinnern könnte. Etwa Zeichnungen oder Modelle. Aber auch jedes andere kugelförmige Objekt, denn die Plutoniumkugeln waren eben… kugelförmig!
Der Historiker Alex Wellerstein berichtet auf seinem hervorragenden Blog "Restricted Data" (eine Fundgrube für Dokumente und Fotos aus der Pionierzeit des Atomzeitalters) über diese Auswüchse der Paranoia. Folgendes zitiert er aus Joseph Masco: The Nuclear Borderlands: The Manhattan Project in Post-Cold War New Mexico. ISBN-10: 0691120773:
"Ein Waffentechniker erklärte mir, wie er die Sicherheit in Los Alamos verletzt hatte, indem er ein Lunchpaket in die Plutonium-Anlage mitbrachte. Er ließ das Mittagessen für eine Minute auf seinem Schreibtisch und fand bei seiner Rückkehr alles in Aufruhr. Ein Sicherheitsbeamter informierte ihn, dass die Orange, die er auf seinem Schreibtisch gelassen hatte, in der Tat ein klassifiziertes Objekt sei.
Er lernte, daß jedes kugelförmige Objekt ein Nukleargeheimnis wurde, sobald es über die Grenze des gesicherten Laborbereiches gelangte, da man es als Modell für die Plutonium-Grube, die eine Atomwaffe antreibt, begreifen könnte…"
Heute ist das alles öffentlich, dank der US-Demokratie, und man kann darüber lachen. Damals, im kalten Krieg, war es bitterernst gemeint. Eine weitere Orange hätte den Wissenschaftler vermutlich ins Gefängnis oder vor Senator McCarthy gebracht… Thank God, it’s over.