Die Röntgenassistentin im Röntgenbetrieb vor 50 Jahren (7)


7. Der Umgang der Röntgenassistentin mit Ärzten

Im letzten Teil unserer Serie über die Röntgenassistentin im Röntgenbetrieb vor 50 Jahren geht es um den Umgang der Röntgenassistentinnen mit den Ärzten. Auch in dieser Frage hatte die Erstauflage des “Lehrbuchs der röntgendiagnostischen Einstelltechnik: Begründet von Marianne Zimmer-Brossy”  entsprechende Empfehlungen parat. Damals noch mit dem ersten Kapitel zum Thema:  „Die Röntgenassistentin und ihr Berufskreis“.
In den weiteren späteren Auflagen, des heute immer noch als Standardwerk geltende Buches über die röntgendiagnostische Einstelltechnik, wurde dieses Kapitel dann aber als nicht mehr zeitgemäß herausgenommen.  Heute findet man die Erstauflage kaum noch. MTA-R.de wollte  seinen Usern dies nicht vorenthalten.
Möge sich jetzt doch jeder selbst seine Meinung darüber bilden, ob die damaligen oder die heutigen Zeiten die besseren sind!

Der Umgang mit Ärzten

Im Teamwork eines Röntgeninstituts ist der Arzt die Hauptperson. Die Röntgenassistentinnen haben dafür zu sorgen, dass er diese Stelle voll und ganz einnehmen kann. Sie müssen ihn in seiner Tätigkeit röntgentechnisch, organisatorisch und administrativ unterstützen. Die Assistentin hat sich seinen Anordnungen zu unterziehen.

Sie unterstützt den Chef, wo sie nur kann, und räumt alles aus dem Wege

Sie handelt selbstständig nur auf ihrem ureigenen Gebiet, und durch ihre Gewissenhaftigkeit schafft sie ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Vorgesetzten. Ihr gutes Gedächtnis ist ihm bei seiner Überbeanspruchung eine wichtige  Hilfe und macht ihn dankbar. Sie erleichtert ihm ferner die Kontrollarbeit im Institut und meldet technische Fehler an einem Apparat, oder im Dunkelzimmer, sowie administrative Irrtümer. Stets ist sie darauf bedacht, wie der Betrieb des Instituts in irgendeiner Beziehung verbessert oder vereinfacht werden kann. Sie erleichtert ihrem Chef auch den Umgang mit seinen Patienten, indem sie bei dessen Eintritt in den Untersuchungsraum den Namen nennt und sogleich meldet, wenn der Patient schon einmal im Institut war. Sie sorgt dafür, dass die Anamnese richtig aufgenommen wird, und vermerkt  Besonderheiten, die ihr bei einem Patienten aufgefallen sind. Dadurch kann sie dem Röntgenarzt, bei seiner Diagnosestellung behilflich sein. Sie unterstützt den Chef, wo sie nur kann, und räumt alles aus dem Wege, was ihn diagnostisch zu einer Fehldeutung führen könnte.

Die Chefärzte sind natürlich charakterlich recht unterschiedlich, jeder hat seine eigene Prägung und verlangt, entsprechend ,,genommen” zu werden. Eine gute Assistentin ordnet sich mit psychologischem Verständnis ein. Der Chef muss als Mensch und als Arzt Achtung genießen,  –  seine Besonderheiten sind nicht mit stillen Wutanfällen zu überbrücken, sondern die Assistentin soll sie von der humorvollen Seite nehmen, ohne aber je einmal verletzend zu sein. Menschliche Schwächen des vielbeschäftigten Arztes sollen auch nicht im engsten Kreise hervorgehoben oder durch eine karikierende Schilderung gebrandmarkt werden.

Man vergesse nie, welche Schwierigkeiten einem Chef durch seine Untergebenen erwachsen können, ganz besonders wenn diese an ungerechtfertigter Überheblichkeit leiden. Differenzen mit dem Vorgesetzten trägt man diesem persönlich in möglichst sachlicher Weise vor und diskutiert sie nicht mit abfälligen Bemerkungen im Kolleginnenkreis. Pflegt der Arzt noch Forschungsarbeiten, so unterstützt man ihn darin, und wird bald erkennen, wie wissenschaftliche Tätigkeit auch für eine Mitarbeiterin interessant sein kann.

Das Röntgeninstitut ist nicht der Ort, um mit Assistenzärzten zu scherzen, sondern um Patienten zu untersuchen

Unter den Assistenzärzten trifft man solche mit glänzender Ausbildung. Großem Wissen, charmantem Auftreten und andere, die Anfänger sind und noch alle Mühe haben, diagnostisch klar zu sehen. Sie verbergen manchmal – fälschlicherweise, aber menschlich verständlich – ihre Unwissenheit unter einer groben äußeren Schale. Sogar in solchen Fällen muss man versuchen. sich einzufühlen und lernen, all die verschiedenen Menschen richtig zu ,,behandeln”. Manchmal hat sich übrigens ein solches Rauhbein später als besonders wertvoller Mensch entpuppt.

Privatleben und Beruf sind strikte voneinander zu trennen!

Im Umgang junger technischer Röntgenassistentinnen mit Assistenzärzten muss ein Rat, beherzigt werden: Privatleben und Beruf sind strikte voneinander zu trennen! Ein großes Getue mit den jungen Ärzten wirkt meist lächerlich. Das Röntgeninstitut ist nicht der Ort, um mit Assistenten zu scherzen, sondern um Patienten zu untersuchen. Wer klug und vielleicht auch nicht ganz unerfahren ist, vermeidet Privatgespräche und sonnt sich nicht im Pseudoglanz als ,,vergötterte Röntgenfee” (über deren Gehabe sich die Assistenten am Mittagstisch lustig machen). Als Chefarzt erhielt ich Verlobungsanzeigen meistens von Assistentinnen, bei denen man von einer festen Bindung weder wusste noch daran dachte oder nur ein kleiner Kreis sie vermutete. Gehilfinnen, von denen am nächsten Morgen im Institut alle genau erfahren, was am Abend „gelaufen” ist, sind ,,Theoretiker”. Auch ein junger Arzt erkennt ohne weiteres, dass eine Röntgenassistentin für ihn wertvoller ist, wenn sie ihren Beruf ernst nimmt und sich um ihre Kranken kümmert, auch wenn sie mit ihm im Institut nicht scherzt.

Aber auch wenn er unfreundlich auftritt, darf sie dies nicht tragisch nehmen. 

Im Umgang mit Assistenten muss die Röntgenassistentin aber auch lernen, eine absichtlich oder unabsichtlich eingeflochtene hämische Bemerkung zu ignorieren und ihre eigenen Bemerkungen zu unterdrücken. Assistenten kommen in der Regel zur Ausbildung in ein Röntgeninstitut. Ein junger Arzt, der z. B. eine Fraktur im Röntgenbilde nicht erkennt, ist deshalb noch lange nicht als unfähiger Dilettant, zu verschreien, da er auf anderen medizinischen Gebieten durchaus tüchtig sein kann. Es ist vielmehr die Aufgabe der Röntgenassistentin ihm zu helfen, in einer netten und vor allem diskreten Art. Hat sie den Eindruck, dass er einen  Knochenbruch nicht erkannt hat, so kann sie ihn fragen, ob dies wohl eine Fraktur wäre. Vielleicht ist er im Stillen dankbar, vielleicht wird er es aber auch nicht zeigen wollen, ja eventuell sogar unwirsch werden, weil er sich blamiert fühlt. Aber auch wenn er unfreundlich auftritt, darf sie dies nicht tragisch nehmen. Das Wohl des Patienten steht immer im Vordergrund.

Es kann nämlich der Röntgenassistentin leicht passieren, einen Querfortsatzbruch anzunehmen, wo nur eine Lendenrippe vorliegt.

Die Diagnostik von Röntgenassistentinnen ist übrigens oft ein betrübliches Kapitel, da ihnen ja jede gründliche medizinische Ausbildung fehlt. Es gibt zwar technische Assistentinnen, die gute Beobachter sind, die zusammen mit ihrem Chef die Filme aufmerksam studieren und dann auch einen erfahrenen Arzt, der einen Film nur flüchtig betrachtet hat, auf dieses oder jenes hinweisen können. Dass dies aber in diskreter Form zu geschehen hat, muss immer und immer wieder betont werden. Man vermeide es, sich bei den Kolleginnen so aufzuspielen, dass diese tatsächlich glauben, man könnte sich auf dem glatten Parkett röntgenologisch- medizinischer Diagnostik ungehemmt bewegen und würde sogar mehr verstehen als der Arzt. Viel wichtiger ist es und genügt vollauf, dass von der Röntgenschwester das Bild technisch beurteilt wird, ob es richtig exponiert und ob es richtig zentriert worden ist.

Externen Ärzten gegenüber ist die gleiche Zurückhaltung zu pflegen. Man vermeidet, sich beruflich oder privat  irgendwie hervorzuheben, ist höflich und freundlich, wie es das Interesse des Institutes erfordert. Denn der Umgang mit zuweisenden Ärzten hat, natürlich ebenfalls seine Auswirkungen auf den Ruf eines Institutes. Auch hier muss man sich hüten, sich in medizinische Diagnostik einzulassen oder dem Drängen eines röntgenologisch unkundigen Arztes nachzugeben und zu sagen, dass man dieser oder jene Diagnose vermute. Es kann nämlich der Röntgenassistentin leicht passieren, einen Querfortsatzbruch anzunehmen, wo nur eine Lendenrippe vorliegt. Welch ungünstigen Eindruck dies dann beim fragenden Arzt, beim Patienten wie auch beim Chef erwecken muss, ist offenkundig, und später wird niemand mehr davon sprechen, dass der Satz mit ,,Ich glaube, es ist” begonnen worden war.

ENDE 

Quelle: Ersten Kapitel: “Technische Röntgenassistentin als Frauenberuf” von Zimmer Brossy – Lehrbuch der röntgendiagnostischen Einstelltechnik 1.Aufl 1960

Zum Teil 1:  Die Röntgenassistentin  im Röntgenbetrieb vor über 50 Jahren  (Technische Röntgenassistentin als Frauenberuf)
Zum Teil 2:  Die Röntgenassistentin  im Röntgenbetrieb vor über 50 Jahren  (Vorbildung und Vorbedingungen)
Zum Teil 3:  Die Röntgenassistentin  im Röntgenbetrieb vor über 50 Jahren  (Ausbildungsmöglichkeiten an Röntgeninstituten)
Zum Teil 4:  Die Röntgenassistentin  im Röntgenbetrieb vor über 50 Jahren  (Gefahren und Schutzmöglichkeiten in einem Röntgenbetrieb)
Zum Teil 5:  Die Röntgenassistentin  im Röntgenbetrieb vor über 50 Jahren  (Das äußere Auftreten einer Röntgenassistentin)
Zum Teil 6:  Die Röntgenassistentin  im Röntgenbetrieb vor über 50 Jahren  (Der Umgang mit Kolleginnen)

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