Birgit Schreiber hat für das Buch „Annäherungen. Ein Lesebuch zur Arbeit in Aidshilfen“ Menschen interviewt, die sich haupt- oder ehrenamtlich für einen informierten, selbstbestimmten und solidarischen Umgang mit HIV und Aids engagieren. Zum Beispiel Torben Schultes, der als Präventionsmitarbeiter der AIDS-Hilfe Nürnberg-Erlangen-Fürth über die Vor-Ort-Arbeit in der Schwulenszene erzählt.
Flexibel sein, eigene Ideen verwirklichen, interessante Leute treffen – das war mein Ziel, als ich vor gut einem Jahr bei der Aidshilfe in Nürnberg anfing. Und genau das kann ich in meinem Job als Präventionsmitarbeiter tun. Meine Hauptaufgabe ist, MSM dabei zu unterstützen, sich vor HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen zu schützen. In meinem Job merke ich ziemlich schnell, ob ich die Leute in der Schwulenszene mit meiner Arbeit wirklich erreiche, denn die sagen mir offen ihre Meinung. Das finde ich gut. Kurzum, ich bin sehr zufrieden hier.
Früher habe ich als evangelischer Diakon in der Kinder- und Jugendhilfe gearbeitet, außerdem bin ich gelernter Erzieher und Krankenpflegehelfer. Ehrenamtlich habe mich in der Krisenintervention bei der freiwilligen Feuerwehr engagiert, da musste ich manchmal auch Todesnachrichten überbringen. Diese Erfahrungen helfen mir sehr in meinem Job, obwohl eine HIV-Infektion heute meist keine existenzielle Bedrohung mehr ist. Es geht jedoch nach wie vor darum, Menschen bei Herausforderungen und Krisen zu unterstützen.
„In Kneipen erreichen wir die Leute aus der Szene schnell und direkt“
Als ich vor einigen Monaten hier anfing, habe ich mich erst mal in der Szene vorgestellt, bei den Wirten und Saunabetreibern. Die haben sich gefreut, dass sie wieder einen Ansprechpartner bei der Deutschen AIDS-Hilfe haben. Weil Wirte wichtige Partner in der Präventionsarbeit sein können, bietet die DAH für sie spezielle Fortbildungsseminare an. Da lernen sie dann zum Beispiel, welche Informationen sie mitliefern müssen, wenn sie Kondome auslegen, was sie beachten müssen, wenn sie einen Darkroom anbieten, und so weiter.
In Kneipen erreichen wir die Leute aus der Szene schnell und direkt, auch die älteren Semester. Mit großem Erfolg haben wir zum Beispiel in einer Leder- und Fetischkneipe eine „Cut and Fuck-Party“ veranstaltet: Eine Frisörin hat Intimhaarfrisuren angeboten, und wir haben Informationsgespräche geführt und Material verteilt, darunter die Broschüre „Haut und Haar – Tipps und Infos für schwule Männer“. Der Event war lustig, und wir sind mit vielen Männern ins Gespräch gekommen.
Viel Spaß macht auch immer der Einsatz beim Faschingsumzug. Zusammen mit einem Kneipenwirt staffieren wir dann einen LKW aus, manchmal mit einem Motto wie „Nürnberg ist rosa“. Manchmal fahren fünfzig Leute mit, DAH-Mitarbeiter, unsere Rollenmodelle der Kampagne „Ich weiß was ich tu“ (IWWIT) und andere. Wir tanzen, feiern und werfen Bonbons in die Menge. Informationsmaterial über HIV und Prävention wird natürlich auch verteilt. Beim „Christopher Street Day“ sind wir ebenfalls mit einem vollbesetzten Wagen dabei, um zu zeigen: HIV-Positive gehören dazu. Mit von der Partie sind dann wie beim Fasching unsere regionalen Rollenmodelle. Einer von ihnen ist Barkeeper, schwul, mit Migrationshintergrund. Vorbilder wie ihn muss man lange suchen. Mit ihm erreichen wir auch die Zugewanderten, die sich oft scheuen, zu ihrer Infektion zu stehen.
„Zu meinen liebsten Einsatzgebieten gehören der Park und die Hafengegend“
Unsere neue Präventionsbotschaft lautet nicht mehr nur „Safer Sex ist wichtig“, sondern auch „Lasst euch testen!“. Medizinisch gesehen ist es sinnvoll, früh von der eigenen Infektion zu wissen. Dann nämlich sind die Prognosen für die Therapie am besten, und die Sexualpartner können eine Ansteckung vermeiden. Immer mehr Männer kommen zu unseren HIV-Schnelltests und zur angeschlossenen Beratung. Zum Glück ist ja das Ergebnis meist negativ.
Ein weiterer Ort, an dem ich Prävention betreibe, ist das Internet. Bei „Gayromeo“, dem bekannten „online dating service“ für Schwule, betreue ich zusammen mit einem Ehrenamtlichen das „Health Support Profil“. Wir nennen uns „GPS – Verkehrshelfer“ (GPS steht für Gay, Proud und Safe, also für schwul, stolz, sicher) und beantworten die Fragen der User möglichst direkt.
Zu meinen liebsten Einsatzgebieten gehören der Park und die Hafengegend. Dorthin gehe ich mehrmals im Jahr mit zwei bis vier Mitgliedern meines ehrenamtlichen Präventionsteams. Wir verteilen Kondome, Informationsmaterial und sprechen mit den Männern, die sich dort treffen. Das sind Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen. Ich finde es spannend, mit ihnen zu reden und zu hören, was sie bewegt. Manche sind offen, manche verschlossen, viele freuen sich, dass sich jemand für sie interessiert.
In der Reihe „Annäherungen“ sind bisher folgende Beiträge erschienen:
Die Frage ist: Wie gut sind wir auf unsere neuen Klienten vorbereitet?
Ich war schon immer empfänglich für Unkonventionelles
Manche haben außer der Aidshilfe fast nichts mehr
Lasst euch von den Mauern bloß nicht abschrecken