Als wenn ich es nicht gewusst hätte! Erst neulich in meinem Artikel über „Pillen fürs Leben“ schrieb ich über die in den USA seit Ende der 1990er Jahre eingeführte Werbung für Arzneimittel. Ich mutmaßte auch, dass die Amerikaner – als „ewige Vorreiter“ für uns – wohl über kurz oder lang auch in dieser Sparte den Wegbereiter mimen werden. Heute ist es dann so weit. Die Deutschen ziehen nach, und das viel schneller als ich es für möglich gehalten hatte…
Wieder einmal ist – vollkommen an der Öffentlichkeit vorbei – ein Gesetz „ummodelliert“ worden: das Heilmittelwerbegesetz. Dies geschah erst jüngst, Ende Juni dieses Jahres. Und Antreiber für diese Gesetzesänderung war (gem. eines taz-Berichtes https://taz.de/Aufweichung-von-Restriktionen/!99270/) das Bundesgesundheitsministerium.
Leise schleichend werden erst einmal Werbemaßnahmen für rezeptfreie Medikamente gestattet. Diese Maßnahme ist jedoch eindeutig die Vorbereitung für eine vollkommene Umkrempelung des Heilmittelwerbegesetzes, das dann in seiner endgültigen Version auch Werbung für alle Medikamente vorsehen wird. Aber man will ja nicht mit der Tür ins Haus fallen und möglicherweise ein paar Zeitgenossen verschrecken. Doch nicht nur die Pillen werden wir bald im Werbeprogramm von Radio und Fernsehen zu sehen bekommen (und dafür dürfen wir auch noch Rundfunkgebühren bezahlen). Es ist jetzt auch vorgesehen, dass man die schöne, heile Legolandwelt der Pharmaindustrie mit Kranken ausschmücken darf, dass man deren Krankengeschichten als sogenanntes “Testimonial” hernehmen kann und Ärzte im strahlend weißen Arbeitsfrack ablichten darf. Je persönlicher die Werbung, desto effektiver.
Manche werden mir vielleicht eine Doppelmoral vorwerfen, weil ich ja auch für meine Bücher (zum Beispiel für meine Heilfasten-Anleitung) solche „Testimonials“ verwende – aber ich denke zwischen Medikamenten und Büchern ist schon noch ein Unterschied, oder?
Während man sich über die „Testimonials“ noch streiten könnte, finde ich es umso wundersamer, wenn die Pharmaindustrie dazu auch ab sofort Preisausschreiben und Verlosungen durchführen darf. Überzeugte Anwender auftreten zu lassen sind eine Sache – aber Verlosungen und Preisausschreiben? Wenn ich also zum Beispiel beim Inkrafttreten der Endversion des Heilmittelwerbegesetzes (in der Werbung für alle Medikamente erlaubt sein soll), in einem solchen Preisausschreiben eine Packung „Krankheit-Weg“ gewinnen würde, dann müsste ich mir noch die richtige Krankheit für die gewonnene Packung zulegen?
Die Pharmaindustrie wird sich beeilen, dieses neue Produkt auch über andere Kanäle zu bewerben und uns allen versichern, dass mit „Krankheit-Weg“ ein Durchbruch der modernen Medizin gelungen ist, der seinesgleichen sucht.
So stelle ich mir die Aussagen der werbenden Pharmafirmen vor:
Mit „Krankheit-Weg“ ist es soooo schön, schwer krank zu sein! Denn es ist so schön, wenn der Schmerz nachlässt bzw. die Symptome der Erkrankung. Und damit dieses schöne Gefühl auch nachhaltig ausgekostet werden kann, versichern wir Ihnen als Hersteller von „Krankheit-Weg“, dass an der Grunderkrankung nichts gerüttelt wird. Denn „gerüttelt“ wird ja auch nur in der Homöopathie – und sie wissen ja, was Sie davon zu halten haben. Und jedes Mal, wenn es Ihnen wieder etwas schlechter geht – das ist meistens in den frühen Morgenstunden – dann helfen Ihnen ein oder zwei Tabletten „Krankheit-Weg“ um sich wieder wie neugeboren zu fühlen. Großer Vorteil von „Krankheit-Weg“: Es kann wahlweise auch als Insekten- und Unkrautvernichtungsmittel eingesetzt werden! Wenn das nicht innovativ ist!
Aber so weit sind wir ja noch nicht. Und das Präparat „Krankheit-Weg“ gibt es auch natürlich (noch) nicht. Aber auch mit der schrittweisen Aufweichung des Heilmittelwerbegesetzes könnte sich schon richtig Schindluder treiben lassen, denn: auch rezeptfreie Medikamente haben Nebenwirkungen, besonders wenn man sie hoch genug dosiert. So denken viele Anwender, dass “Viel auch viel hilft”. Was sie aber nicht mit in Betracht ziehen ist, dass es in der Dosis-Wirkungs-Beziehung immer einen oberen therapeutischen Bereich gibt, ab dem die Wirkung nicht mehr gesteigert werden kann – dafür aber die Nebenwirkungen rasant an Vehemenz aufholen. Aber da gibt es ja noch die anderen rezeptfreien Pillen, die gegen die Nebenwirkungen der ersten Pillen vorzüglich geeignet sind. Auf diese Weise schafft man sich einen erweiterten Markt und noch mehr Umsatz. Toll!
Und der Kunde “Patient” wird auch durch die Werbung in die Lage versetzt, dem Arzt eine Wunschliste mit Medikamenten zu präsentieren. Es ist denkbar, dass unter dem Strich Patienten dem Arzt diktieren, was er ihnen zu verschreiben hat. Bei den rezeptfreien Präparaten ist der Arzt nicht notwendig, um diese Präparate zu erwerben. Da geht der Patient direkt in die Apotheke. Aber in den kommenden Zeiten, wo auch verschreibungspflichtige Medikamente beworben werden dürfen, wird dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Ausnahmesituation bleiben. Der Arzt wird süße Miene zum sauren Apfel machen müssen, in den er zu beißen hat. Denn wenn er nicht verschreibt, was der Patient (= Kunde) haben will, dann sucht der sich einen anderen Arzt, der das macht, was er will. Der Arzt verkommt dann teilweise oder sogar ganz zum Verschreibungsbüttel, der vom Patienten nur benötigt wird, um an die gesetzlich erforderliche Unterschrift unter dem Rezeptschein zu kommen. Besser kann sich die Schulmedizin nicht abschießen lassen!
Es ist teilweise schon ekelhaft, was da im Gesundheitswesen der Bundesrepublik Pharmaland abläuft. Da wird nicht nur der Zugang zu chemischen Substanzen für die Bürger erleichtert, nein, es wird auch Sorge getragen, dass der Konsum selbiger Substanzen durch Werbung gefördert wird. Denn das ist das eigentliche Anliegen von Werbung: Umsatzsteigerung, Ankurbelung des Konsums, Profitmaximierung. Die Werbung wird mit einiger Sicherheit so gestaltet werden, dass wir angeblich alle latent krank sind und damit unbedingt dieses und jenes rezeptfreie Präparat zu uns nehmen sollten. Und weil es so schön umsatzschwanger ist, wird auch die Prophylaxe, die sonst von der Schulmedizin eher als evidenzbasiert sinnlos oder überflüssig angesehen wird, ins Programm der Werbeargumente mit aufgenommen.
Einen kleinen Vorgeschmack haben wir ja schon bekommen mit der Acetylsalicysäure (bekannt unter dem Markennamen Aspirin) in Bezug auf die „Prophylaxe“ von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Von den Nebenwirkungen redet in der Werbung keiner, denn dazu sollen wir ja unseren Arzt oder Apotheker befragen. Und was soll der uns denn dazu sagen? Die „Nebenwirkungen“ werden verschämt in Fachkreisen diskutiert und zum guten Schluss als unvermeidbar hingestellt. Für uns Patienten wird dies so dargestellt, dass „der zu erwartende Nutzen den zu erwartenden Schaden signifikant übersteigt – und das ist halt nun mal so“. Übrigens: mehr zur Acetylslicylsäure finden Sie in meinem Beitrag: http://www.naturheilt.com/medikamente/acetylsaliclsaeure.html
Auf der anderen Seite, und das passt 100-prozentig ins Bild, werden nebenwirkungsfreie bzw. nebenwirkungsarme Naturheilmittel als „potentiell gefährlich“ auf den Index gesetzt. Sie sind deshalb gefährlich, weil es in der Tat mal ein paar fiese Nebenwirkungen gegeben hat – 2 von 500.000. Bei den Pharmaprodukten sind Nebenwirkungsraten von 30% und mehr keine Seltenheit. Aber das stört niemanden. Hier versteigen sich die Protagonisten der Chemie sogar dazu, diesen Substanzen eine außergewöhnliche hohe Sicherheit und Verträglichkeit zu bescheinigen. Aber bei 2 zu 500.000, das klingt bedrohlich, oder?
Für mich ist damit sonnenklar: Wer “2 zu 500.000″ umdichtet in “eine hohe Nebenwirkungsrate” und 30 Prozent Nebenwirkungen als sicher einstuft, der hat keine Ahnung von Mathematik oder er verdreht die Realität, weil er ein perfides Interesse hat, das die Realität nicht akzeptieren kann. Darum wundert es mich auch nicht, wenn sogenannte „wissenschaftliche“ Studien so manipuliert, gedehnt, gepresst, gestaucht usw. werden, bis das Ergebnis raus kommt, was man vor Beginn der Studien zu erzielen wünschte. Ich berichtete darüber bereits in “Erfundene Arzneimittelstudien“.
Na denn: Prost Mahlzeit.
Ach so: wollen Sie jetzt immer noch eine Packung „Krankheit-Weg“ kaufen?
Und falls Sie noch nicht genug haben, schauen Sie sich unter dem Stichwort: Medikamentenskandale auf meiner Webseite um oder sehen Sie sich den Beitrag zum Pharmakartell an.