Wenn das böse Cholesterin eine gute Figur macht

Da hat man uns doch seit Jahrzehnten erzählt, immer und immer wieder, dass Cholesterin und die Erbsünde in etwa miteinander gleichzusetzen sind. Gegen die Erbsünde lässt sich mit Pillen nichts machen. Aber das Cholesterin kann unter dem unermesslichen Druck der allerheiligsten Mutter Schulmedizin und ihren Wunderpillen nur kapitulieren.

Infolge dessen wurden und werden Millionen von Menschen mit Pillen traktiert, damit eine natürlich vorkommende Substanz wie das Cholesterin möglichst kurz gehalten wird. Wieder einmal wähnt sich der Mensch als “Krone der Schöpfung” einen Schritt voraus vor der Natur. Deswegen werden die Schulmediziner ja auch als “Halbgötter in Weiß” tituliert.

Aber jetzt kommt frische Kunde aus dem Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin, und wie es aussieht, macht das Cholesterin bei Max Planck eine deutlich bessere Figur.

Denn die Wissenschaftler des Instituts fanden heraus, dass ausgerechnet das Cholesterin neurologische Erbkrankheiten günstig beeinflussen kann. Ein Beispiel für eine solche Erberkrankung ist die Pelizaeus-Merzbacher-Krankheit.

Die Pelizaeus-Merzbacher-Krankheit beruht auf der Mutation eines Gens, das auf dem X-Chromosom liegt (eins der beiden Geschlechtschromosomen also) und das für die Produktion des sogenannten Proteolipid-Proteins zuständig ist. Da die Ausprägung der Erkrankung rezessiv erfolgt, ist sie glücklicherweise nicht sehr häufig anzutreffen. Rezessiv heißt in diesem Zusammenhang, dass bei Mädchen beide X-Chromosomen gleichzeitig diese Mutationen an dem bestimmten Gen aufweisen müssen, was ein relativ unwahrscheinliches Ereignis ist.

Bei Jungen sieht der Sachverhalt deutlich ungünstiger aus. Da sie ein Y- und ein X-Chromosom tragen, braucht nur das X-Chromosom mutiert sein, um die Erkrankung augenfällig werden zu lassen. Die Betroffenen zeigen dann eine verzögerte geistige und motorische Entwicklung. Sie zeigen unkontrollierbare, rhythmische Bewegungen der Augäpfel (Nystagmus), spastische und/oder schlaffe Lähmungen der Muskulatur und Problemen beim Stehen und Gehen (Ataxie).

Die Krankheitsverläufe reichen von mild bis zu schwer, wo die betroffenen Kinder nicht einmal das Erwachsenenalter erreichen. Eine Therapie gegen die Krankheit gibt es nicht. Doch es ist ausgerechnet das böse Cholesterin, das in der Lage ist, wenn auch die Krankheit nicht zu heilen, aber dafür den Verlauf günstig zu beeinflussen.

Was passiert, wenn es an Cholesterin mangelt?

Es dreht sich um eine Substanz, das Myelin, das für die Isolierung der Axone der Nervenzellen verantwortlich ist. Geht diese Isolierung verloren, wie bei der Multiplen Sklerose z.B., dann erfolgt keine Reizleitung in der betroffenen Nervenzelle und die Zelle wird in der Folge zerstört. Myelin hat einen Lipidanteil von über 70 Prozent. Ca. 30 Prozent werden von verschiedenen Arten von Proteinen aufgebaut. Darunter ist ein Protein, dass sich Proteolipid-Protein nennt. Es hat, ähnlich wie die Lipide, eine stark hydrophobe (wasserabstoßende) Eigenschaft. Es ist außerdem von allen Proteinen, die im Myelin vorkommen, das am häufigsten präsente Protein. Es gehört zur Kategorie der Transmembranproteine und hat somit etwas mit der Transportfunktion in der Zellmembran zu tun.

Wenn jetzt aber das Gen, das die Produktion dieses Proteins kontrolliert, aus irgend einem Grunde mutiert ist (Punktmutation), dann kommt es zu Störungen im Aufbau von Myelin und damit zu Erkrankungen wie z.B. der Pelizaeus-Merzbacher-Krankheit. Es ist aber nicht nur die Mutation des Genorts oder dessen Fehlen, was zur Erberkrankung führt. Liegt das Gen doppelt oder mehrfach vor, dann ergeben sich die gleichen Effekte, mehr oder weniger stark ausgeprägt mit den entsprechenden Krankheitsverläufen.

Der 70-prozentige Lipidanteil enthält eine signifikante Menge an Cholesterin. Es gibt ältere Arbeiten, die zeigen konnten, dass die Menge des zur Verfügung stehenden Cholesterins ausschlaggebend ist für die Menge an produziertem Myelin. Wenn das richtig ist, dann wäre eine Therapie mit Cholesterinsenkern eine potentiell gefährliche Angelegenheit, da hier mögliche Eingriffe in die Myelinsynthese vorgenommen werden und neurologische Veränderungen zu erwarten sind.

Die neue Studie (Therapy of Pelizaeus-Merzbacher disease in mice by feeding a cholesterol-enriched diet. – https://ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22706386) wurde zwar „nur“ mit Mäusen durchgeführt, die an einer „künstlichen“ Pelizaeus-Merzbacher-Krankheit litten. Aber das Proteolipid-Protein von Mensch und Maus ist 100-prozentig identisch, so dass die Ergebnisse einige Aussagekraft haben.

Bei dieser Arbeit beobachteten die Wissenschaftler, dass bei der Störung der Synthese von Proteolipid-Proteinen es zu einer Umverteilung von Cholesterin in den Oligodendrozyten kommt, die für die Myelinproduktion zuständig sind. Es kommt zu einer Art Transportstau in den Zellmembranen, was auf der defekten Transportfunktion des Proteolipid-Proteins beruht. Die Konsequenz ist das Nachlassen der Myelinsynthese und folglich die Schädigung der Nervenzellen.

Die Arbeit hat darüber hinaus auch noch zeigen können, dass mit der Nahrung zugeführtes Cholesterin in der Lage war, diese pathologischen Prozesse einzudämmen. Eine Begründung, warum eine erhöhte Zufuhr von Cholesterin diesen günstigen Effekt ausübt, gibt es noch nicht. Aber das externe Cholesterin verhindert den Transportstau in der Zellmembran und normalisiert deren Cholesterinkonzentrationen. Dieser Normalisierungsprozess wiederum wirkt sich günstig auf die Myelinsynthese aus.

Es ist selbstverständlich, dass man ausreichende Mengen an Cholesterin zuführen muss, um diesen günstigen Effekt zu erhalten. Viel wichtiger ist jedoch ein frühzeitiges Einschreiten mit der Cholesteringabe. Je früher, desto besser. Dies zeigten die Autoren an ihren Mäusen mit der genetischen Krankheit. Je früher diese Tiere ihr cholesterinreiches Futter bekamen, desto besser waren die Ergebnisse. Wurde dann aber umgeschaltet auf „gesundes“, cholesterinarmes Futter, stellte sich prompt eine erneute Demyelinisierung der Nervenzellen ein.

Die Autoren schlossen aus ihren Beobachtungen, dass Cholesterin zwar nicht in der Lage ist, die Ursache, sprich den Defekt beim Proteolipid-Protein-Gen zu beheben. Es hat aber ein bedeutendes Potential, den Krankheitsverlauf signifikant zu verlangsamen.

Von Mäusen zu Menschen

Auch wenn wir hier auf pathophysiologische Mechanismen treffen, die anscheinend für Maus und Mensch gleichermaßen zutreffen, steht die Probe aufs Exempel für menschliche Patienten noch aus. Obwohl Cholesterin für die Schulmedizin ein höchst gefährlicher Stoff zu sein scheint, wäre eine Studie mit erkrankten Patienten und der Einsatz von Cholesterin keine verantwortungslose Angelegenheit. Denn die Pharmaindustrie im Verbund mit der Schulmedizin hat in der Vergangenheit deutlich gefährlichere „Heilsbringer“ fabriziert. Man braucht da nur an Avandia, Vioxx und andere „Scherze“ zu denken.

Für die Patienten mit den genetischen Aussetzern jedoch könnte sich das gefährliche Cholesterin zu einer gefährlichen Sache entwickeln, wenn sie es nicht in ausreichenden Mengen bekommen. Aber eins sollte jetzt schon als gesichert gelten: Diese Patienten sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht für eine Therapie mit Cholesterinsenkern geeignet.
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