(R. Klepper) Es handelt sich um zwei identische, separat betriebene Druckwasser-Kraftwerksblöcke vom Typ Westinghouse. Die thermische Leistung eines Blockes beträgt ca. 1100 Megawatt (MW), die elektrische Leistung ca. 365 MW. Das KKW Beznau erzeugt 10% der Schweizer Elektroenergie.
Der erste Kraftwerksblock ist seit 1969 in Betrieb (ältestes arbeitendes KKW der Welt), der zweite Block folgte 1972. In der Anfangszeit war die Insel noch nicht mit Stacheldraht und Eingangskontrollen gesichert, auch konnten die Anwohner im erwärmten Aarewasser baden ("Beznau Beach"). Mit zunehmender Angst vor Saboteuren änderte sich die Anlage zu einer kleinen Festung.
Nach Herstellerangabe soll das Kraftwerk sicher gegen landesübliche Erdbeben und Flugzeugabstürze sein. Nach dem Fukushima-Unfall wurde die Stilllegung des Kraftwerks für 2020 festgelegt.
Besonderheit: Die Abwärme von ca. 700 MW pro Block wird nicht wie üblich über einen Kühlturm in die Luft abgegeben, sondern zum kleinen Teil für Fernwärme in den nächsten Ortschaften genutzt, sowie zum größten Teil mit Flusswasser der Aare abgeführt. Das Kühlwasser wird um ca. 10 ° Celsius erwärmt, gemischt mit dem restlichen Wasser der Aare wird der Fluss maximal 0,5° Celsius wärmer. Sollte bei Niedrigwasser diese Schranke nicht einhaltbar sein, muß die Kernkraftwerksleistung reduziert werden.
Der äußere Augenschein: Alles aufgeräumt, sauber und sicher, die Gebäude aus bestem und neu aussehendem Beton, freundliches Führungspersonal teils schwyzerdytsch, teils hochdeutsch sprechend. Die Führung ging über die Außenanlage, den Turbinen- und Generatorbau, die Schaltzentrale und die Lagerhalle für schwach und mittelradioaktive Abfälle. Der eigentliche Reaktorbau war für Gäste nicht zugänglich, wohl wegen der hohen Strahlungsleistung während des Betriebes.
Erläuterungen zum Betrieb: Das spaltbare Uran-235 liegt zu Beginn der nuklearen Kettenreaktion in 4%-iger Konzentration in den Brennstäben vor, umgeben von nichtspaltbarem Uran-238. Jeder der 128 Brennstäbe ist mit Zirkonium dicht umschlossen, am oberen Ende ist ein Gas-Sammelbehälter für gasförmige Spaltprodukte angebracht. Als Moderator und als Wärmetransportmittel wird normales Wasser benutzt, die Regelstäbe für den Neutronenfluss sind aus Bor. Der nukleare Brand wird bis zu einer Uran-235-Konzentration von 1% durchgeführt. Die abgebrannten Brennstäbe wurden in Frankreich und Großbritannien wiederaufbereitet, seit 2011 werden sie vor Ort in einem Wasserbecken gelagert, später dann in einem Endlager.
Im Reaktorkern entsteht durch die Kernspaltungsprozesse eine Wassertemperatur von 270° Celsius bei einem Druck von ca. 150 bar. Die darin enthaltene Wärmeenergie wird über einen Wärmetauscher in einen zweiten Wasserkreislauf übertragen bei einer Temperatur von jetzt 240° Celsius und 60 bar Druck. Dieses Wasser treibt bei seiner Verdampfung eine konventionelle Dampfturbine mit Stromgenerator an. Die primäre elektrische Spannung beträgt 50 kV und wird erst außerhalb des Kraftwerkes auf über 200 kV hochgespannt. Der Wasserdampf wird kondensiert und wieder in den sekundären Wasserkreislauf zurückgegeben.
Notfallmaßnahmen: Die nukleare Kettenreaktion kann durch Einfahren aller Borstäbe zwischen die Brennstäbe in ca. 1 Sekunde gestoppt werden (Bor vernichtet Neutronen und unterbindet dadurch weitere Uranspaltungen). Bei einer Notabschaltung geschieht dies und zusätzlich wird der Druck im Reaktorraum abgelassen, in dem man Wasserdampf in die Atmosphäre abbläst. Eine nukleare Explosion wie in Tschernobyl ist theoretisch nicht möglich. Im schlimmsten Fall kann das Wasser im Reaktorraum gegen Bor-Wasser ausgetauscht werden, das in ausreichender Menge auf dem Reaktorgelände lagert.
Fällt ein Reaktor aus, müssen die Brennstäbe außerdem mit Kühlwasser gegen die unvermeidbare Nachwärme geschützt werden (was in Fukushima nur verspätet und mit Mühe gelungen ist).
Für den Fall, dass nur einer der beiden Reaktoren ausfällt, gibt es drei Sicherheitsstromversorgungen für die Wasserpumpen: 1. Strom aus dem zweiten Reaktor, 2. Strom aus dem benachbarten Wasserkraftwerk und 3. Strom aus Diesel-getriebenen Generatoren, die hochwassersicher in einem Betongebäude untergebracht sind. Fallen beide Reaktoren aus (bei Erdbeben, Flugzeugabstürzen usw) gibt es nur zwei Sicherheitskreise.
Probleme:
- Am 17.7.1992 erstickten zwei Arbeiter bei der Reinigung des „Reaktorsumpfes“. Dies ist eine Betonwanne unter dem Reaktor, die alles was oben daneben geht unten auffängt. Diese Wanne hatte sich mit dem unsichtbaren und geruchlosen Edelgas Argon gefüllt.
- Am 9. 8.2007 wurde bei Aare-Hochwasser und Starkregen die Verbindung zum Wasserkraftwerk für 12 Stunden unterbrochen.
- Am 21. 8.2007 wurde im Rahmen einer Wartung festgestellt, dass die Notstrom-Dieselmotoren nur 50% ihrer Soll-Leistung erbrachten.
- Am 31.1.2008 fielen Anzeigeinstrumente im Haupt-Kommandoraum aus, was zu einer Schnellabschaltung führte.
- Am 23. 3. 2012 gab es ein Leck in einer Pumpe des Primärwasserkreislaufes, was auch hier in eine Schnellabschaltung des Reaktors mündete.
Unbeantwortete Fragen:
1. Wie kommt Argon aus dem abgeschlossenen Reaktorbehälter in den Reaktorsumpf?
2. Das Wasser im Reaktorraum wird durch die hohe Neutronen- und Photonendichte radioaktiv aktiviert, auch wenn die Zirkonium-Hülle der Brennstäbe intakt ist. Welche Elemente mit wie viel Radioaktivität entweichen bei einer Schnellabschaltung in die Atmosphäre?
[Abbildung: Roland Zumbühl (Picswiss), Arlesheim (Commons:Picswiss project), GFDL oder CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons]