betr.: Herr Schlapplinski (Teil 6)

Sehr geehrter Herr Kollege Retterspitz,
wir bedanken uns für die freundliche Zuweisung von Herrn Schlappliniski, Johann, der sich letztens kurzzeitig in unserer stationären Behandlung befand und berichten über den Verlauf der Behandlung in unserem Hause.
Diagnose:
Kognitiver Abbauprozess
Ungeklärte häusliche Versorgungssituation
Anamnese:
Der Patient berichtet, nicht im Krankenhaus bleiben zu wollen.
Fremdanamnestisch ist zu erfahren, dass angeblich pathologische Laborwerte erhoben worden sind, außerdem sei der Blutdruck recht hoch.
Vegetative Anamnese:
(Fremdanamnese durch Ehefrau): In der letzten Zeit zunehmende Verwirrtheit, außerdem Gewichtsverlust.
Sozialanamnese:
Der Patient lebt mit seiner Ehefrau. Nach Angaben der Ehefrau ist die Versorgungssituation nicht geklärt.
Therapie und Verlauf:
Bereits kurz nach dem Eintreffen hat sich der Patient mit unbekanntem Ziel von der Station entfernt, ist jedoch glücklicherweise eine Stunde später wieder aufgetaucht.
Am Nachmittag verschwand er erneut. Trotz Ausschwärmens aller Mitarbeiter konnte er auf dem Klinikgelände nicht gefunden werden. Die Angehörigen wurden unverzüglich benachrichtigt.
In Anbetracht der kühlen Außentemperaturen und der drohenden Dunkelheit baten wir in Sorge um den Patienten die Polizei um ihre Mithilfe bei der Personensuche.
Letzendlich erfuhren wir von der Ehefrau, dass der Patient unversehrt zu Hause aufgetaucht war.
Die Angehörigen wurden darüber informiert, dass die Abklärung der marginal pathologischen Laborparameter sowie des mäßig erhöhten Blutdruckes durchaus auch ambulant durch den Hausarzt erfolgen kann. Sollten Sie diesbezüglich überfordert sein, bieten wir gerne unsere Hilfe an.
Die Abklärung einer unklaren Versorgungssituation und einer fortschreitenden Demenz mit zusätzlichem Gewichtsverlust ist selbstverständlich ein legitimer Einweisungsgrund. Nur wären wir in diesem Fall dankbar für eine kurze Kommunikation – gerne auch telefonisch – über die Erwartugen und Ziele des geplanten Klinikaufenthaltes.
Letztendlich möchte ich Sie darauf hinweisen, dass wir weder ein Gefängnis noch eine geschlossene Anstalt sind. Wenn Sie uns einen Patienten schicken, klären Sie bitte im Vorfeld ab, dass er auch bei uns bleibt.
Auch mit dementen Menschen kann man reden.
mit kollegialen (ja, von mir aus auch freundlichen Grüßen),
Dr. Benno Armschlag,
Stationsarzt

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