Ein Bericht von Juliane Lindenberg über ihren Einsatz auf Mindanao, Philippinen
Schon anhand der Kleidung der Patienten und den Hütten, in denen sie leben, sowie am Mittagessen, das uns bereitet wird, ist die Bedürftigkeit der Menschen abzulesen. Dennoch werden wir mit allen aufzutreibenden Mitteln verwöhnt. Gelegentlich kann ich Früchte und Gemüse kosten, die ich noch nie vorher gesehen habe. In anderen Orten gibt es lediglich Reis und dazu eine dünne Suppe mit Stückchen von magerem Huhn oder trockenem Fisch. Die Fleischbeilage ist kaum erschwinglich. Die Gastfreundschaft ist rührend und die Dankbarkeit der Menschen für die Hilfe, die wir ihnen bieten können, ehrlich und ergreifend.
Entsprechend der Philosophie der Organisation „Jeder Mensch zählt“ versuchen wir für den Einzelnen vor Ort das Leid zu verringern und Symptome zu lindern. Schwere Fälle, die eine aufwändige Diagnostik oder Therapie bedürfen, weisen wir in eines unserer Krankenhäuser ein. Die Behandlung ist für unsere Patienten kostenlos und auch das Fahrgeld wird wenn nötig erstattet. Ob der einzelne Patient dieses Angebot wahrnimmt ist von ganz anderen Faktoren abhängig. Lässt man während eines Krankenhausaufenthaltes Kinder zurück, die sich nicht selbst versorgen können? Hat man eventuell Angst vor der Fremde? Oder kann man sich schlicht nicht vorstellen, dass die Krankheit durch einen Krankenhausaufenthalt geheilt werden kann? Wir können nur beratend zur Seite stehen. Einige Patienten nehmen das Angebot an, viele bleiben zu Hause mit ungewissem Ausgang.
Es ist eine intensive Erfahrung, mit Ärzte für die Dritte Welt in diese entlegenen Gebiete zu fahren und mit den Ärmsten in Kontakt zu kommen. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Die Herzlichkeit, Genügsamkeit und Dankbarkeit bereichert und lässt einen für einige Momente die grundlegenden Probleme des Landes vergessen.
Hinsichtlich der Übervölkerung befindet sich das Land in einem noch lange nicht gelösten Zwiespalt und Teufelskreis. Weiterhin explodieren die Bevölkerungszahlen, zum einen bedingt durch verbesserte Gesundheitsversorgung, Impfprogramme, sinkende Kindersterblichkeit und steigende Lebenserwartung. Zum anderen durch Umsetzung der gesellschaftlichen Überzeugungen. Kinder gelten als Geschenk Gottes, Männer stellen ihre Männlichkeit mit steigender Kinderzahl unter Beweis und eine Frau gilt erst durch Mutterschaft als richtige Frau. Dennoch stimmt der Kinderreichtum nicht mit dem Kinderwunsch überein. Vor allem arme Familien haben mehr Kinder als gewünscht. Verhütungsmittel sind zu teuer, die Sexualaufklärung ist nicht im Schullehrplan verankert und der Staat schreitet nicht ein, aus Furcht vor Konflikten mit der katholischen Kirche. Die vielen Kinder können nicht ausreichend ernährt werden, Unterernährung mit weiteren gesundheitlichen Problemen ist die Folge. Der philippinische Arbeitsmarkt kann so viele Menschen nicht aufnehmen, wodurch die Armut weiter steigt, bzw. die Schere zwischen arm und reich weiter auseinander klafft.
Wir versuchen lediglich dem Einzelnen zu helfen und auf die Missstände aufmerksam zu machen. Leider haben wir die Pharmafirmen nicht auf unserer Seite. Durch Werbung und Verblendung der Tatsachen hat sich ein tiefgreifender Glaube an Medikamente in den Köpfen der philippinischen Bevölkerung verfestigt. Das letzte Geld wird zum Teil wahllos in Medikamente (vor allem Antibiotika und Schmerzmittel) investiert, die nach Lust und Laune eingenommen werden, natürlich ohne Erfolg. Eine Verschreibungspflicht existiert nicht oder wird von den Apotheken kategorisch negiert. Amoxicillin (ein Antibiotikum) scheint ein Allerheilmittel zu sein, es wird gegen jegliche Beschwerden geschluckt oder zermörsert auf die Haut aufgetragen. In nur sechs Wochen Einsatz auf den Philippinen kann man lediglich beobachten und den Kopf schütteln über diese Verantwortungslosigkeit der großen und reichen Firmen.
Zehn Tage „Rolling Clinic“ vergehen wie im Fluge. Erschöpft und glücklich kommen wir wieder in Cagayan de Oro an. Am Folgetag sieht sich das Team noch einmal zur Nachbesprechung. Dann heißt es Abschied nehmen von Menschen, mit denen man in nur zehn Tagen zu einer Familie zusammengewachsen ist. Dank des Teams fühlte ich mich trotz der kulturellen Unterschiede integriert, man hat zusammen gelacht, diskutiert, gekocht, dreimal am Tag Reis gegessen, San Miguel Bier getrunken, Karaoke gesungen und dabei einen kleinen Beitrag für Menschlichkeit geleistet.
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