Wer glaubt, dass die Gen-Industrie sich „nur“ mit der genetischen Modifizierung von Nahrungsmitteln begnügt (= Stichwort “Grüne Gentechnik“), der befindet sich auf einem genetisch modifizierten Holzweg. Wer mutmaßt, dass auch Menschen bald Zielscheibe von genetischen Modifizierungen werden, der ist leider nicht ganz auf dem Laufenden, denn: diese Zukunft hat schon vor mehr als 10 Jahren begonnen. Unglaublich, aber wahr. Vorreiter in dieser Disziplin: wie fast immer die Vereinigten Starter von Amerika (USA).
Es ist wohl nicht besonders viel Aufhebens gemacht worden seinerzeit von der Sensation. Denn genetische Manipulationen am Menschen waren bei den meisten Menschen nicht auf deren Positiv-Liste zu finden. Die Angst vor humanen Genetik-Robotern war und ist immer noch zu groß, als dass man mit solchen Aktivitäten Freunde unter der Bevölkerung und teilweise auch Politik gewinnen könnte. Also macht man das, was man machen will, einfach unter Ausschluss der Öffentlichkeit und präsentiert seine Ergebnisse eher kleinlaut einer interessierten Fachwelt.
Nach mehr als 10 Jahren ist es dann doch herausgekommen. Genetische Manipulationen am Menschen sind gemacht worden (http://www.dailymail.co.uk/news/article-43767/Worlds-GM-babies-born.html. Eine deutsche Übersetzung unter https://derhonigmannsagt.wordpress.com/2012/07/10/die-weltweit-ersten-genetisch-modifizierten-menschen-wurden-kreiert/) und deren Ergebnisse sind auch veröffentlicht worden.
Liste der Studien zum Thema (zum selbst nachlesen)
- http://humrep.oxfordjournals.org/content/16/3/513.full.pdf
- https://ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10973657
- https://ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9570273
- https://ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11228222
Insgesamt sind inzwischen 30 Kinder in den Vereinigten Staaten geboren worden, bei denen diese Manipulationen vorgenommen worden sind. Viele der Kinder sind aufgrund von Problemen der Fruchtbarkeit der Mütter durch ein IVF-Programm (in vitro fertilization) gezeugt worden. Sie sind das Ergebnis eines experimentellen Programms, das am „Institute for Reproductive Medicine und Science of St. Barnabas“ in New Jersey durchgeführt worden ist. Leitender Kopf dieser Geschichte ist der Fruchtbarkeitspapst Jacques Cohen.
Was war da jetzt genau passiert?
Sind da Gene von Gorillas in menschliche Erbanlagen eingebaut worden?
Ganz so drastisch und fiktiv ging es – Gott sei Dank! – nicht zu. Die Mütter der Kinder waren unfruchtbar, da die Mitochondrien ihrer Eierzellen (Oozyten) Defekte aufwiesen, die die Überlebensfähigkeit der Eizellen beeinträchtigten. Also nahmen die Wissenschaftler Eizellen von gesunden Spenderinnen und transferierten „gesunde“ Mitochondrien in die Einzellen der Empfängerinnen. Anschließend erfolgte dann die IVF. Das Resultat dieser „Transaktionen“ war, dass die Kinder im Wesentlichen von 3 Eltern abstammten: 2 Mütter und 1 Vater. Die mitochondrialen Gene können jetzt, vorausgesetzt das Kind ist ein Mädchen, auf die Folgegeneration weitervererbt werden.
Es ist schon fast tröstlich, dass es sich hier um ausschließlich mitochondriale DNA (mtDNA) handelt und nicht um Kern-DNA, was einer ansonsten natürlich vorkommenden Mutation entsprechen würde. Aber auch die mtDNA, die nur von den Müttern an ihre Nachfolgegeneration weitergegeben werden kann, hat einen beträchtlichen Einfluss im Rahmen der epigenetischen Prägung des Individuums. Es gibt bis heute praktisch keine Arbeiten zu den Konsequenzen einer Einflussnahme auf epigenetische Faktoren. Und wenn es sie gibt, dann wieder einmal nur „for their eyes only“,also für die Fachwelt bzw. Befürworter von solchen Arbeiten und Versuchen. Außerdem stellen solche Arbeiten, so bescheiden sie sich auch noch ausnehmen, den ersten Schritt in eine Zukunft dar, deren Ziel es sein wird, auch die Kern-DNA so zu manipulieren, dass menschliche Zuchtpräparate erzeugt werden, die genau die Eigenschaften haben, die man von ihnen erwartet: überdurchschnittlich intelligent, oder blöd, aber besonders physisch stark, oder… oder… oder. Hier sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt. Und die Möglichkeit einer genetisch programmierten und abgesicherten 2-Klassen-Gesellschaft liegen fast in Reichweite. Schöne neue Welt. Soweit Sciencefiction mit Realitätsbezug.
Man fragt sich an dieser Stelle: Müssen wir erst diese genetischen Menschenroboter erzeugen oder irgendwelche Monster, bevor etwas passiert, was unter aller Kritik ist? Ist dieses Verfahren schon so sicher, dass eine IVF ein Segen für die Betroffenen ist?
Wenn man die Veröffentlichungen liest, dann möchte man glauben, dass alles in Butter sei. Auf fast typisch amerikanische Weise wird die Technologie als „Durchbruch“ gefeiert und über entsprechende Pläne für die Zukunft nachgedacht. Gegenwind kommt ausgerechnet aus Großbritannien und Frankreich. Auf dem Weltkongress 2003 über Kontroversen zur Gynäkologie und Unfruchtbarkeit in Berlin hörte man keine so tollen Kommentare:
„… zytoplasmatisch Kontrolle der Entwicklung vor der Implantation (des Eis – Anm. v. m.) ist kein neues Konzept. Aber der Transfer von Eizellplasma ist beim Menschen erstaunlich schnell zur Anwendung gekommen, und dass sogar mit einigem Erfolg, jedoch in völliger Abwesenheit von ausführlichen Forschungen zu diesem Thema, um die Effektivität und die möglichen Risiken dieser Methode zu erfassen…“ (Quelle: http://www.comtecmed.com/cogi/cogi4/proceedings/15-424.pdf)
Dann der Abschied von der heilen Gen-Welt: „… eine direkte Nachverfolgung von Schwangerschaften aufgrund einer Transplantation von Eizellplasma und der daraus resultierenden Kinder zeigte, dass 2 von 17 Feten einen anormalen 45, XO Karyotyp aufwiesen (Ullrich-Turner-Syndrom). Die Autoren vermuten einen Zusammenhang zwischen der Chromosomenanomalie und der Manipulation der Oozyten. Es zeigte sich weiter, dass eins der Kinder nach 18 Monaten eine tiefgreifende Entwicklungsstörung entwickelte, eine Diagnose aus dem Bereich der autistischen Erkrankungen.“
Und da wir gerade vom Geschäft reden – oder kommen alle diese Bemühungen von unseren amerikanischen Menschenfreunden aufgrund deren hohen ethischen Standards? – bleiben wir doch beim Geschäft: Monsanto manipuliert Gene von Nutzpflanzen, zum Wohle der ganzen Menschheit, und lässt alles patentieren, zum Wohle des Unternehmens und auf den Knochen derer, die damit leben müssen. Und gleiches wird sich auch wiederholen, wenn die Gen-Manipulation am Menschen in ein geschäftlich interessantes Stadium eingetreten ist. Dann wird es vielleicht nicht nur eine 2-Klassen-Gesellschaft geben, die sich durch besonders intelligente und besonders starke Individuen unterscheidet, sondern es wird patentierte Menschen geben, die Gen-Sklaven, und die, die sie besitzen. Die Gen-Sklaven unterscheiden sich dann durch Intelligenz und körperliche Stärke – schöne neue Welt.
Unmöglich?
Nicht vorstellbar?
Nur eine tolle “Science-Fiction-Geschichte”?
Mit nichten; es gibt eine Reihe von Leuten, die sich ernsthafte Gedanken machen, wie dies zu bewerkstelligen sei. Man diskutiert schon heftig, was patentierbar ist und was nicht. Für eine ethisch hochstehende Gesellschaft erscheint mir eine solche Diskussion reichlich pervertiert (Link zur Diskussion: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1999541). Eine ethisch hochstehende Gesellschaft sollte das Leben meiner Meinung nach in jedem Bereich schützen und nicht als Mittel zum Zweck „verkaufen“.
Noch diskutiert man über menschliches Leben und Patentrechte. Für Pflanzen und Tiere hat der Alptraum schon längst begonnen. Und die ersten menschlichen Gene sind auch schon beim Patentamt gelandet. Eine Studie von 2005 zeigte, dass 4382 von 23.688 menschlichen Genen in der Datenbank der „National Center for Biotechnology Information“ explizit als intellektuelles Eigentum beansprucht werden (Link zur Studie: http://www.aclu.org/free-speech/brca-genes-and-patents). Das heißt doch, dass mindestens 20 Prozent der menschlichen Gene schon so gut wie patentiert sind. Zusätzlich zu diesen eben erwähnten Genen gibt es noch die mit seltenen oder weniger seltenen Erkrankungen, die auch schon patentiert sind, wie z.B. Alzheimer, Asthma, einige Formen von Dickdarmkrebs, einige Formen von Muskelerkrankungen usw.
Da ist es nicht mehr weit bis zum Klonen von Menschen. Unser weiter oben erwähnter Furchtbarkeitspapst – nein, Fruchtbarkeitspapst Cohen sieht hier kaum noch Probleme. Nach seinen Angaben versetzt ihn „sein Expertenwissen“ (Bescheidenheit ist keine amerikanische Zier) in die Lage, Kinder zu klonen. Und das sei nach seinen Angaben „nur eine Nachmittagsarbeit für einen seiner Studenten“. Wenn das stimmt, dann sind wir hier ziemlich weit weg von Science Fiction und sehr nahe dran an der grausigen Realität. Oder andersherum: Wer hier noch „das ist doch bloß Sciencefiction!“ ruft, der zeigt wie weit weg er von der Realität ist. Laut Cohen gibt es mindestens drei realitätsbewusste Zeitgenossen, die an ihn mit einem Kinderklonwunsch herangetreten sind. Aber der Meister zeigte sich uneinsichtig – noch. So langsam kriege ich wirklich das Gruseln …