Bislang ist die Beantwortung der Frage, mit welchem Praxismanagement-Prinzip der größten Erfolg erzielbar ist, zwischen zwei Eckpunkten angesiedelt: auf der einen Seite steht die unbedingte und umfassende Patientenorientierung, die zu einer hohen Patientenzufriedenheit und auch zu sehr guten Behandlungserfolgen führt, aber finanziell für Praxisinhaber nur bedingt tragfähig ist. Diesem Prinzip gegenüber steht die Produktivitäts-optimierte Arztpraxis, deren medizinische Erfolge im Fabrik-Charakter (Stichwort “Fließband-Betrieb”) untergehen. Die damit einhergehende, deutlich eingeschränkte Patientenzufriedenheit wird von den verantwortlichen Praxisinhabern aufgrund des wirtschaftlichen Erfolgs billigend in Kauf genommen. Doch es gibt auch eine “Zwischenlösung”, die therapeutische und wirtschaftliche Optimierung vereinigt. Das Instrument heißt “Adhärenz-zentriertes Praxismanagement (AZP)”. Es basiert auf der Befähigung der Patienten zu einem aktiven, selbstverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung. Das geschieht in enger partnerschaftlicher Absprache mit dem behandelnden Arzt unter Einbeziehung seiner Kooperationspartner. Der Ansatz bietet AZP-Praxen – wie erste Explorationen zeigen – im Vergleich zu Nicht-AZP-Praxisbetrieben eine ganze Reihe von Vorteilen:
– Das AZP führt zu deutlich besseren Therapie-Ergebnissen. Die betreuten Patienten sind deshalb zufriedener als in anderen Praxisführungs-Modellen, ihre Fluktuationsquote ist äußerst gering.
– Pro Patient werden weniger Konsultations-Kontakte benötigt. Hierdurch entstehen spürbare Handlungsspielräume für die Neupatienten-Gewinnung und -betreuung oder das IGeL-Management.
– Aus den beiden erstgenannten Punkte resultiert eine höhere Weiterempfehlungsbereitschaft der Patienten, die das Praxisimage nachhaltig fördert und für einen kontinuierlichen Zustrom neuer Patienten sorgt. Dieser wird auch durch eine bessere Online-Reputation in Arzt-Bewertungsportalen und eine höhere Bekanntheit im Einzugsgebiet unterstützt.
– Das Personal engagiert sich aufgrund der Motivation durch zufriedene Patienten stärker, so dass die Gesamtproduktivität steigt.
– Diese Vorteile schlagen sich wiederum in einer deutlich besseren Gewinnsituation nieder, die u. a. auch Investitionen in die Entwicklung der Praxis ermöglicht.
– Hinzu kommt: der Adhärenz-Ansatz ist zukunftssicher, da er nicht nur dem Trend der Patientenerwartungen entspricht, sondern auch von den Krankenkassen verfolgt und gefördert wird, denn das AZP ist ein aktiver Beitrag zur Qualitätsverbesserung der Patientenversorgung, sowohl medizinisch als auch ökonomisch.
Das AZP ist ein umfassender Managementansatz, der über die gegenwärtig vorherrschende, allein auf die Arzt-Patienten-Kommunikation fokussierte Betrachtung des Patienten-Empowerments hinausgeht. AZP schließt alle Praxisbereiche, von der Planung über Marktforschung, Patientenbetreuung, Organisation bis zu Führung, Zusammenarbeit und Finanzmanagement, ein. Etwas mehr als 200 Gestaltungsmerkmale, Verhaltensweisen und Arbeitsroutinen in den Bereichen “Strategie und Konzept”, “Organisation”, “Begegnungsrahmen”, “Kommunikation” und “Schnittstellenmanagement” machen das AZP aus. Man kann davon ausgehen, dass bislang knapp 15% der Arztpraxen, über alle Fachrichtungen betrachtet, diesen Ansatz realisieren.
Ab Ende Januar 2013 steht ein validiertes Testverfahren zur Verfügung, das interessierten Ärzten ermöglicht zu überprüfen, wie weit ihr existierendes Praxismanagement in Richtung eines AZP entwickelt ist und welche Veränderungen für eine vollständige Umsetzung notwendig sind.