Die Debatte über Chefarzt-Boni schlägt allerorts hohe Wellen. Das Thema ist nun nicht neu aber dennoch erscheint die aktuelle Diskussion eine besonders offene zu sein. Anstoß der Debatte war die Studie „Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2012“ der Stiftung Gesundheit Ende letzten Jahres. In besagter Studie äußerten sich die Chefärzte über ihre Bonifikationen.
Dass die Ökonomisierung längst auch in der Medizin Einzug gehalten hat, stellt keine Neuigkeit dar. Die veröffentlichten Fakten zeigen zudem, dass die Studienteilnehmer erstaunlich offen über die variablen Zusatzleistungen Auskunft erteilten. Um ein repräsentatives Ergebnis zu erzielen, wurden 6.806 leitende Klinikärzte (Ober-, Chefärzte, ärztliche Direktoren) angeschrieben.
Widersprüche bei Vergütungszulagen
Bundesärztekammer, Marburger Bund und der Verband der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands lehnen laut eigenen Aussagen derartige variable Zuwendungen ab. Die Realität spiegelt jedoch ein ganz anderes Bild wider. Die Studie besagt, dass mehr als ein Drittel der leitenden Klinikärzte in Deutschland ertragsabhängige Bonusleistungen beziehen. Die genauen Werte: 38 Prozent der befragten Ärzte gaben an, Boni zu erhalten, 57 Prozent verneinten dies und 5 Prozent enthielten sich der Stimme. Ein erstaunlich ehrliches Ergebnis, im Hinblick auf die Meinung der Bundesärztekammer, dass diese Bezüge dem ärztlichen Berufsethos widersprechen. Daraus lässt sich auch ein Wunsch nach Austausch und Diskussion ablesen.
Entwicklungsbedarf vorhanden
Die Bundesärztekammer sieht Handlungsbedarf. Sie wird in Kooperation mit dem Verband der Leitenden Krankenhausärzte eine Kontaktstelle für die Überprüfung von Zielvereinbarungen in Chefarztverträgen einrichten – ein sehr wichtiges Signal. Außerdem müssten Musterverträge für leitende Ärzte und Ärztinnen im Krankenhaus entwickelt werden. Diese sollten eine Balance zwischen Patientenorientierung, der Unabhängigkeit des Arztes und der wirtschaftlichen Mitverantwortung für das Wohl des Krankenhauses ermöglichen.
Hohe Moralvorstellungen versus Geld verdienen
Dennoch möchte ich deutlich unterstreichen, dass die allermeisten Ärzte sehr hohe Moralvorstellungen besitzen – auch im Klinikalltag versuchen sie diese aufrecht zu halten. Besonders in diesem Punkt kann ich aus eigener Erfahrung herausstellen, dass die Zahl der intrinsisch motivierten Ärzte in Zukunft vermutlich zunehmen wird. Grund dafür sind zahlreiche Diskussionen mit Medizinstudenten in Seminaren zur Ökonomie im Gesundheitswesen. Auf der anderen Seite entwickeln auch Ärzte und Ärztinnen im Laufe der Zeit einen Wunsch nach Familie oder den eigenen vier Wänden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt kann das Einkommen nicht ohne Abstriche als zweitrangig betrachtet werden.
Auch die Politik debattiert
Jetzt bleibt es abzuwarten, ob der hitzigen Debatte um die variablen Zusatzleistungen der Chefärzte auch konkrete Ergebnisse folgen oder ob die Chance vertan wird. Erste positive Zeichen aus der Politik gibt es bereits. Alle Fraktionen stimmten bei einer Anhörung zu einer Gesetzesinitiative gegen ökonomisch ausgerichtete Zielvereinbarungen zwischen Ärzten und Kliniken. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist naturgemäß von der Einmischung des Gesetzgebers nicht begeistert. Die Bundesärztekammer befürwortet sogar eine komplette Ablehnung der Bonifikationen für leitende Ärzte.
Welche Kompromisse auch immer gefunden werden – wichtig ist nur, dass eine klare Regelung gefunden wird. An vorderster Stelle sollte dabei die ärztliche Unabhängigkeit gegenüber dem Patienten stehen.