„Visual AIDS“ hat sich zur Aufgabe gemacht, den Dialog zwischen Kunst und HIV/Aids zu fördern und die Arbeiten positiver Künstler zu bewahren. Nun jährt sich der 25. Gründungstag dieses weltweit einmaligen New Yorker Projekts. Von Axel Schock
Als Frank Moore 1985 von seiner HIV-Infektion erfuhr, war der New Yorker Maler und Bühnenbildner auf einem ersten Höhepunkt seiner Karriere angelangt. „Beehive“, ein gemeinsam mit seinem Lebenspartner, dem Choreografen Jim Self realisierter Film, hatte gerade Premiere gefeiert und tourte durch die Welt.
Die Resonanz auf seine Einzelausstellungen war enorm. Der Erfolg ermunterte Moore, ein Farmhaus in Deposit im Bundesstaat New York zu einem Atelier auszubauen. Die Diagnose aber veränderte vieles. In seiner bislang stark vom Surrealismus beeinflussten Malerei setzte sich Moore nun mit Themen rund um Aids auseinander – mit Umweltschäden, Bioethik, Homosexualität und Gesundheitsversorgung.
Vom Künstler zum Aidsaktivisten
Vor allem aber verstand sich der Künstler verstärkt als Aktivist und die Kunst als mögliches Mittel, um die Gesellschaft mit der Krankheit und ihren Folgen zu konfrontieren. Und sie auch an den Ängsten, Hoffnungen und Leiden, am Kampf und der Wut der HIV-Infizierten, Erkrankten und Sterbenden teilhaben zu lassen.
Gemeinsam mit weiteren Mitstreitern gründete er deshalb 1988 Visual AIDS. Kunst, so die Ansicht der Initiatoren, kann durch ihren sehr persönlichen, direkten Ausdruck und ihre Emotionalität nicht nur zur Aufklärung über die Krankheit beitragen, sondern auch helfen, Solidarität zu fördern und Ängste abzubauen.
Die in New York beheimatete Organisation, die in diesem Jahr ihren 25. Geburtstag feiert, kümmert sich um den Nachlass verstorbener Künstler, organisiert Ausstellungen und unterstützt positive Künstler, die sich in ihrem Werk mit HIV und Aids auseinandersetzen, bei ihrer Karriere. Was diesen Teil der selbstgesetzten Aufgaben von Visual AIDS angeht, ist der Wirkungskreis fast ausschließlich auf die USA begrenzt.
Erfinder des Red Ribbon
Mit zwei Projekten allerdings hat Visual AIDS nachhaltige internationale Bedeutung erlangt: Zum einen durch den Red Ribbon, den Frank Moore 1991 für Visual AIDS als Zeichen der Solidarität mit den von HIV und Aids betroffenen Menschen kreierte; die rote Schleife ist längst zum bekanntesten Aidssymbol weltweit avanciert. Zum anderen durch die Online-Datenbank Visual AIDS Gallery, in der bildnerische Werke von HIV-positiven Künstlern präsentiert werden. Rund 30.000 Besucher verzeichnet diese virtuelle Dauerausstellung Monat für Monat. Ein schier unerschöpfliches, nicht nur wegen seines Umfangs einmaliges Archiv, das ständig erweitert wird und über die Visual AIDS-Internetseite für jedermann kostenfrei zugänglich ist.
Finanziert wird die Arbeit der Organisation weitgehend durch Spenden – und durch eine alljährliche Kunst-Benefizaktion, die sich inzwischen in New York zu einem wahren Hype nicht nur für Kunstsammler und Interessierte entwickelt hat.
„Postcards from the Edge“ heißt die Aktion mit dazugehöriger Ausstellung, die bereits zum 15. Mal stattfindet. Dazu werden etablierte und berühmte wie auch junge und noch unbekannte Künstler rund um den Globus eingeladen, postkartengroße Kunstwerke zu stiften. Rund 1.500 sind in diesem Jahr zusammengekommen.
Benefizkunst im Postkartenformat
Von wem die einzelnen Arbeiten stammen, die nun vom 25. bis 27. Januar in der Sikkema Jenkins Gallery in Chelsea gezeigt werden, wird erst am Ende der Verkaufsaktion verraten. Bekannt ist vorab nur, dass sich darunter unter anderem eigens angefertigte Kunstwerke beispielsweise von Bill Viola, Jack Pierson, John Waters, Lawrence Weiner und Kiki Smith befinden.
Über 15.000 Arbeiten wurden auf diese Weise seit 1988 bereits gestiftet und verkauft, darunter Bilder von Louise Bourgeois, Cindy Sherman, Yoko Ono und Tom Wesselman – und vom Visual AIDS-Mitbegründer Frank Moore. 85 Dollar ist der Einheitspreis für die anonym präsentieren Bilder. Und der Andrang ist mittlerweile so groß, dass für den ersten Schau- und Verkaufstag ein Benefiz-Eintrittspreis von ebenfalls 85 Dollar bezahlt werden muss.
Link zur Internetseite Visual AIDS